Süddeutsche Zeitung

Tierschutz:Warum Wale stranden

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An der Küste Neuseelands sind 38 Grindwale verendet. Für die Massenstrandungen machen Biologen mehrere Ursachen verantwortlich - darunter auch menschliche Aktivitäten.

Von Tina Baier

An den Stränden der Welt werden jedes Jahr Tausende Wale tot oder noch lebendig angespült. Und jedes Mal wieder sind die Bilder der riesigen, hilflosen Körper schrecklich. Umso mehr wenn, wie diese Woche an der Westküste Neuseelands, Menschen um die gestrandeten Wale herumstehen, ihnen verzweifelt gerne helfen würden, aber oft nichts anderes tun können als feuchte Handtücher über die Tiere zu breiten und ihnen beim Sterben zuzuschauen.

Die 38 Tiere, die in der Nähe des Ortes Haast verendet sind oder eingeschläfert werden mussten, waren Grindwale. Die Art ist bekannt für solche Massenstrandungen. "Diese Wale leben in großen Gruppen zusammen und sind sehr sozial", sagt Sandra Altherr von der Tierschutzorganisation Pro Wildlife. Jede Gruppe hat ein Leittier, dem die anderen bedingungslos folgen, was der Spezies auch die Bezeichnung "Pilotwal" eingebracht hat. Verirrt sich der "Pilot" in flache Gewässer, schwimmt die ganze Gruppe hinterher und strandet ebenfalls. Die Walfänger auf den Färöer-Inseln machen sich dieses Verhalten zunutze und treiben oft nur das Leittier in eine der vielen Buchten, wo die Jäger leichtes Spiel haben. Sie wissen, dass danach die gesamte Gruppe ins Verderben schwimmt.

Doch warum stranden Wale überhaupt? "Vermutlich gibt es dafür verschiedene Ursachen", sagt Gerd Kraus, Leiter des Thünen-Instituts für Seefischerei in Bremerhaven. Klar ist, dass die Echoortung der Tiere nicht mehr funktioniert, wenn sie in seichtes Gewässer kommen. Die Schallwellen, die Wale ausstoßen, um sich zu orientieren, werden dann nicht von einzelnen Beutetieren oder Hindernissen zurückgeworfen, sondern vom ganzen Meeresgrund. "Dann dringen von überall her Geräusche auf die Wale ein", sagt Kraus. So kann es passieren, dass sie die Orientierung verlieren und weiter in Richtung Küste schwimmen statt wieder hinaus ins Tiefe.

Dazu kommt, dass es unter Wasser alles andere als still ist. Der Lärmpegel durch Schiffe, Bohrinseln und andere menschliche Aktivitäten ist extrem hoch und könnte die Wale zusätzlich verwirren. "Es ist, wie wenn man versucht, sich auf einer Party bei lauter Musik zu unterhalten", sagt Kraus. Immer wieder kommt es aber auch vor, dass Wale einem Schwarm Beutetiere hinterherjagen und im Eifer des Gefechts nicht merken, dass sie in gefährlich seichte Gegenden geraten. Um Genaueres über die Ursachen herauszufinden, werden gestrandete Wale zumindest in Deutschland seziert. Manchmal entdecken die Forscher dann, dass die Tiere halb verhungert waren, weil sie statt Fisch Unmengen von Plastik in ihren Mägen haben. Auch das könnte zu Orientierungslosigkeit beitragen.

Bleibt die Frage, warum Bilder gestrandeter Wale Menschen immer wieder so berühren, während den meisten das Schicksal vieler anderer Tiere herzlich egal ist. Eine Rolle dabei spielt sicher, dass Wale in der Kulturgeschichte vieler Völker eine wichtige Rolle spielen. Sie werden sogar in der Bibel namentlich erwähnt, unter anderem in der Genesis: "Und Gott schuf große Walfische und alles Getier, das da lebt und webt. . .", heißt es dort. Dass Wale natürlich keine Fische sind, sondern Säugetiere, ist da nebensächlich.

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Quelle:
SZ vom 06.04.2018
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