Süddeutsche Zeitung

SPD-Vize Bärbel Dieckmann::"Eine Öko-Katastrophe im Süden können wir uns nicht leisten"

Lesezeit: 2 min

Der Klimawandel wird in Zukunft auch bei uns zu Problemen führen. Trotzdem will die Bonner Oberbürgermeisterin lieber mehr Geld in Entwicklungshilfe stecken als in Deutschland mit viel Aufwand die Umweltstandards zu optimieren.

Thorsten Denkler

Die SPD-Politikerin Bärbel Dieckmann ist Bonner Oberbürgermeisterin und Vorsitzende des "Weltbürgermeisterrates zum Klimawandel".

sueddeutsche.de: Frau Dieckmann, Deutschland kämpft mit der Trockenheit. Sind die Städte darauf vorbereitet, wenn der Klimawandel uns immer wärmere Sommer beschert?

Bärbel Dieckmann: Wasserknappheit ist ein neues Phänomen für Deutschland. Wir sind aber vorbereitet, auch wenn das Wasserproblem noch nicht im Mittelpunkt unserer Arbeit steht. Wir haben uns in den vergangenen Jahren stark mit CO2-Ausstoß, mit Smog-Bildung, mit Energieeffizienz und Energieversorgung beschäftigt. Städte in ärmeren Ländern sind mit der Wasserknappheit viel stärker konfrontiert.

sueddeutsche.de: Wir können es also weiter bedenkenlos sprudeln lassen?

Dieckmann: Dieser Frühling und der vergangene Sommer zeigen, dass die Wasserknappheit in einigen Regionen Deutschlands sehr bald eine Rolle spielen wird. Die Probleme, die wir jetzt in der Landwirtschaft erleben, werden ein Umdenken erfordern.

sueddeutsche.de: Weltweit wachsen die Städte zu Megacitys heran. In Deutschland schrumpft die Bevölkerung. Haben wir ein umgekehrtes Weltproblem?

Dieckmann: Das ist eine große Herausforderung. Wir müssen unsere Strukturen an geringere Bevölkerungszahlen anpassen. Das sind aber kleine Probleme im Vergleich zu dem, was Städte wie São Paulo durchmachen.

Dort wächst die Bevölkerung jedes Jahr um 500.000 Menschen. Der Schulunterricht muss in drei Schichten gegeben werden. Ich kann Ihnen sagen, ich weiß nicht, wie ich das als deutsche Oberbürgermeisterin organisieren sollte.

sueddeutsche.de: Gibt es eine Chance, solche Entwicklungen umzukehren?

Dieckmann: Ich sehe nicht, wie das aufzuhalten ist. Die Städte werden weiter wachsen.

sueddeutsche.de: Welche Verantwortung tragen die Städte in den Industrieländern?

Dieckmann: Wir haben uns als Oberbürgermeister international zusammengeschlossen. In erster Linie um voneinander zu lernen. Jede Stadt hat ihre individuellen Probleme. Aber wir müssen Fehler nicht dreimal machen.

sueddeutsche.de: Das heißt konkret?

Dieckmann: Bleiben wir beim Wasser. Die Abwasserentsorgung ist ein drängendes Problem in vielen Großstädten. Wir sanieren unsere Kanalisation mit erheblichem Aufwand. Als Stadt Bonn haben wir bereits 60 Millionen Euro investiert. In anderen Städten gibt es in weiten Teilen überhaupt keine Kanalisation. Hier können die Städte von unseren Erfahrungen profitieren. Andererseits können wir lernen, wie in den Megacitys wirklich große Probleme gemanagt werden.

sueddeutsche.de: Muss nicht auch Geld fließen?

Dieckmann: Eindeutig Ja. Wir können uns im Norden die zum Teil katastrophalen ökologischen Entwicklungen im Süden nicht leisten. Die Abwanderungsbewegungen aus dem Süden werden sich erheblich da verstärken, wo Umweltfragen nicht gelöst sind. Das wird einen enormen Druck auf die Städte des Nordens ausüben.

Im Süden Europas ist das schon Realität. Gehen Sie in die Städte Italiens und Spaniens und sehen Sie was es bedeutet, wenn sich die Menschen in Afrika auf den Weg machen, weil sie in ihrer Heimat ihre Lebensgrundlage verloren haben.

sueddeutsche.de: Wollen Sie in Zukunft die Kanalisation in São Paulo finanzieren und dafür auf die Sanierung in Bonn verzichten?

Dieckmann: Ich sage Ihnen ganz ehrlich, es kann aus ökologischer Sicht nicht die Lösung sein, wenn wir mit viel Geld unsere Hygiene-Standards an die Grenze des Machbaren bringen und in ärmeren Städten werden die Abwässer ungeklärt ins Meer geleitet. Wir müssen unsere Entwicklungshilfe deutlich erhöhen, um solche Projekte zu finanzieren. Die deutschen Städte werden dafür Verzicht üben müssen, wenn Steuergelder in solche Entwicklungsprojekte investiert werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.614601
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.