Süddeutsche Zeitung

Astronomie:Mysteriöse Signale aus dem All

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Astronomen beobachten eine ungewöhnliche Radioquelle in der Milchstraße. Sie könnten einen neuartigen Sternentyp gefunden haben.

Von Peter Michael Schneider

Man darf sich Astronomen bei aller Begeisterung für Himmelsphänomene eher als nüchterne Analytiker vorstellen. Umso überraschender ist es deshalb, wenn sie eine Entdeckung als spooky beschreiben, als unheimlich. Ein australisches Forscherteam hat etwas in der Milchstraße entdeckt, von dem etwa dreimal in der Stunde jeweils eine Minute lang massenhaft Energie in Richtung Erde strömt und dabei als eine der hellsten Radioquellen am Himmel erscheint - etwas, das die Fachwelt so noch nicht beobachtet hat.

"Über Stunden hinweg tauchte das Objekt auf und verwand wieder", sagt Natasha Hurley-Walker von der Universität Curtin im westaustralischen Perth über die Entdeckung. "Bisher ist nichts Vergleichbares am Himmel bekannt." Die Quelle der langwelligen Radiostrahlung liegt in der Nähe des südlichen Sternbilds Norma und ist etwa 4000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Angesichts des Durchmessers der Milchstraße von etwa 100 000 Lichtjahren ist das nicht allzu weit und laut Hurley-Walker quasi "unser galaktischer Hinterhof".

Das hell strahlende, kompakte Objekt sei kleiner als die Sonne und sende polarisiertes Licht aus, was ein Hinweis auf ein starkes Magnetfeld sei, schreiben die Wissenschaftler um Hurley-Walker im Wissenschaftsjournal Nature. Da Radiowellen für Menschen nicht sichtbar sind, lässt es sich mit dem Auge allerdings nicht erkennen. Entdeckt hat das bizarre Objekt 2018 der damalige Student Tyrone O'Doherty mit dem Murchison Widefield Array (MWA) im Outback von Westaustralien. Das Teleskop besteht aus zahlreichen, verhältnismäßig kleinen und starren Antennen, die ihren Blick in den Himmel elektronisch gesteuert ausrichten.

"Auf unerklärliche Weise wandelt der Stern seine magnetische Energie in Radiowellen um."

Im Universum gibt es viele Sterne, deren Strahlkraft schwankt. Beobachten Astronomen beispielsweise über Tage hinweg ein aufleuchtendes Objekt am Himmel, sehen sie häufig die Explosion einer Supernova, also den spektakulären Tod eines großes Sterns - oder zumindest die Vorgänge in den Monaten danach. Blinkt der Stern dagegen regelrecht, manchmal im Takt von Millisekunden, kann es sich um schnell rotierende Neutronensterne handeln, ausgebrannte Sternenleichen mit starkem Magnetfeld. Denn häufig senden solche veränderlichen Sterne Radiowellen in eine bestimmte Richtung aus. Gerät die Erde in die Strahlenachse dieser Sterne, blitzen die Objekte aus irdischer Perspektive auf.

Besonders kurios an dem bisher noch unbenannten Objekt sei jedoch, dass es jeweils für eine Minute aufleuchtete, so Hurley-Walker. Es könne daher ein Spezialfall eines Neutronensterns oder eines Weißen Zwergs sein, also Reste ausgebrannter Sterne. Die theoretische Physik sage unter anderem die Existenz langsam rotierender Neutronensterne voraus, sogenannter "Magnetare mit ultralanger Periode". Laut Hurley-Walker würden die Beobachtungen mit dem errechneten Modell gut übereinstimmen. Weniger ins Bild passe hingegen die ungewöhnlich starke Radiostrahlung. "Auf unerklärliche Weise wandelt der Stern seine magnetische Energie in Radiowellen um."

Zusätzlich zum langen Aufblinken gibt der vermeintliche Neutronenstern seinen Entdeckern ein weiteres Rätsel auf. "Das Objekt war nur in den ersten drei Monaten 2018 aktiv", sagt Hurley-Walker. "Vorher und nachher schien es keine Radiowellen auszusenden." Auch während der Beobachtung habe es für 26 Tage Pause gemacht. Allerdings seien die Daten des Teams lückenhaft, sagt Hurley-Walker. "Wir haben Aufnahmen durchgeschaut, die eigentlich Objekte in der Umgebung untersuchten. Es kann also sein, dass wir die Radioquelle nur unvollständig abgedeckt haben."

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