Süddeutsche Zeitung

Schmetterlinge in Großbritannien:Ungewöhnlicher Besuch auf der Insel

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"Das Zeichen des Todes ist wieder gesichtet worden", heißt es in Großbritannien reißerisch. Gemeint ist der Totenkopfschwärmer, der wegen des warmen Spätsommers derzeit die Briten fasziniert. Und er ist nicht der einzige außergewöhnliche Besucher.

Christian Zaschke

Die Abergläubischen unter den Briten fragen sich, was um Himmels willen denn das jetzt schon wieder zu bedeuten hat. Sieben Jahre Dürre? Das Ende der Welt? Und ist nicht postwendend nach der Ankunft der Unheilsbringer das Rugby-Team an diesem Wochenende bei der Weltmeisterschaft gescheitert?

"Das Zeichen des Todes ist wieder gesichtet worden", verkündete düster der Independent.

Die Schmetterlingsfreunde unter den Briten sind indes in heller Aufregung: Der Totenkopfschwärmer hat die englischen Gestade erreicht, und den sieht man hier wirklich nicht allzu oft.

Im Englischen trägt der Schmetterling den hübschen Namen " death's-head hawk moth".

Tatsächlich ist auf seinem Körper ein Muster zu sehen, das an einen Totenkopf erinnert. Er hat seit jeher keinen sonderlich guten Ruf; im Mittelalter verbreitete er sogar großen Schrecken, und bis heute gibt es Menschen, die sein Auftauchen als schlechtes Omen werten.

Entsprechend hat er in eher dunkleren Kapiteln Einzug in die Literatur gehalten. Bram Stoker lässt einen Totenkopfschwärmer durch seinen Roman "Dracula" fliegen. In Thomas Harris' Thriller "Das Schweigen der Lämmer" ist er gar ein zentrales Motiv: Der Serienmörder "Buffalo Bill" hinterlässt im Mund seiner Opfer eine Puppe des Falters.

Es ist der inhaftierte Psychiater und Kannibale Hannibal Lecter, der der Ermittlerin genüsslich erklärt, was es damit auf sich hat: So wie die Puppe zum Schmetterling wird, will auch der Serienkiller sich entpuppen und zur Frau werden.

Die Ankunft des Schwärmers an Britanniens Küsten ist dem ungewöhnlich warmen Spätsommer zu verdanken. Die Kenner unter den Schmetterlingsfreunden sind zwar auch von Acherontia atropos, dem Totenkopfschwärmer, begeistert, mehr noch aber freuen sie sich darüber, dass mit dem Unheilssymbol so viele weitere Arten ins Land geflogen sind, die man seit Jahren und Jahrzehnten nicht gesehen hat.

Michael Blencowe, der für Schmetterlingsschutz in Sussex zuständig ist, war einer der Ersten, der die Ankunft der ungewöhnlichen Gäste bemerkte: "Ich hatte manche dieser Arten noch nie gesehen", sagt er, "also griff ich mein Netz und ging los, um herauszufinden, ob da noch mehr waren."

Und da waren noch mehr, denn dies ist die beste Saison für Wanderfalter seit langem. Besonders erfreut die Spezialisten die Sichtung von Trigonophora flammea (englisch: flame brocade moth) - so viele wie in diesem Jahr hat man in England seit 130 Jahren nicht gesehen, weshalb begeisterte Schmetterlingsforscher vermuten, es könnte gar eine Brutkolonie in Sussex geben.

Heimisch werden all die schönen Falter in Großbritannien aber sicherlich nicht: Die aufziehende Kälte wird dem Spektakel wohl schon bald ein Ende bereiten.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2011
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