Süddeutsche Zeitung

Raumfahrt:Raketen sind noch lauter als gedacht

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Das Wummern eines Starts ist noch in weiterer Ferne deutlich zu hören und zu spüren als berechnet. Für die "Artemis"-Mondrakete haben Forscher nun nachgemessen.

Raketenstarts gehören zu den lautesten hörbaren Geräuschen der Welt. Ein Forschungsteam hat nun die Lautstärke der leistungsstärksten bisher ins All gebrachten Rakete untersucht: Der Start der Trägerrakete SLS bei der Mondmission Artemis 1 Mitte November vergangenen Jahres erzeugte demnach noch in 1,5 Kilometern Entfernung 136 Dezibel. Das entspricht in etwa der Lautstärke eines startenden Düsenjets in wenigen Metern Entfernung.

Selbst in 5,2 Kilometern Entfernung von der Startrampe wurden noch 129 Dezibel gemessen, mehr als eine Kettensäge oder ein Presslufthammer üblicherweise erzeugt, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Brigham Young University (BYU) und des Rollins College im Fachjournal JASA Express Letters berichten. Der Wert habe damit fast 20 Dezibel über dem in einem Lärmmodell vorhergesagten gelegen. "Das deutet darauf hin, dass die Modelle überprüft und wahrscheinlich überarbeitet werden müssen", sagte Mitautor Grant Hart von der BYU.

Nach Starts einer Saturn-V-Rakete soll noch in weiter Entfernung Gras Feuer gefangen haben

Das Forschungsteam hatte während des Starts Lärmmessungen an verschiedenen Orten rund um das Kennedy Space Center vorgenommen. Die Studie soll helfen, die Einflüsse von Raketenstarts auf die Umgebung zu untersuchen. Unklar blieb zunächst, wie laut es direkt an der Startrampe war. Einer früheren Analyse der Brigham Young University zufolge wurden beim Start einer Saturn-V-Rakete an der Rampe einst etwa 203 bis 204 Dezibel erreicht. Das neue Space Launch System (SLS) hatte Mitte November 13 Prozent mehr Schub als eine Saturn V jemals, wie es in einer Mitteilung zur aktuellen Analyse hieß.

Um die Saturn-V-Starts ranken sich demnach viele Mythen. So gebe es fälschlicherweise Berichte über geschmolzenen Beton und weit entfernte Grasbrände infolge des immensen Schalls. Sollte es solche Vorfälle gegeben haben, seien sie eher auf die Strahlungswärme der Abgasfahne zurückzuführen.

Etwa 125 Dezibel gelten als Grenze, ab der Menschen physische Schmerzen leiden. Das Empfinden von Lautstärke verläuft nicht linear: Experten zufolge fühlen sich zehn Dezibel mehr für Menschen etwa doppelt so laut an.

Das Artemis-Programm besteht aus mehreren Missionen. Die erste, Artemis 1, wurde schon weitgehend erfolgreich zu Ende gebracht. Am 11. Dezember 2022 landete die unbemannte Kapsel des Raumschiffs Orion nach der Umrundung des Mondes im Pazifik. Die Trägerrakete SLS verfügt über vier Flüssigwasserstoff-Sauerstoff-Haupttriebwerke und zwei Feststoff-Booster. Letztere sind den Forscherinnen und Forschern zufolge wohl die Hauptquelle für den Schallpegel des Starts.

Viele der bislang registrierten lautesten Geräusche stammen von Bomben, die extreme Energie freisetzen. Das nach Aufzeichnungen womöglich lauteste Geräusch, das Menschen je zu hören bekamen, könnte der Ausbruch des Vulkans Krakatau im Jahr 1883 gewesen sein. Die Explosion war damals noch in 3000 Kilometer Entfernung in Perth an der australischen Westküste zu hören. Sie zerstörte den Berg und seine Insel weitgehend und löste einen Tsunami aus, mindestens 36 000 Menschen starben. Der Nasa zufolge wurde damals selbst in 160 Kilometer Entfernung noch eine Lautstärke von 180 Dezibel gemessen. Deshalb wird geschätzt, dass der Wert vor Ort bei über 300 Dezibel gelegen hat.

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