Süddeutsche Zeitung

Psychologie:Kühler Kopf

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Eiskalt kalkulieren, hitzig reagieren - wenn es um menschliches Entscheiden und Verhalten geht, sind Metaphern aus dem Temperaturbereich weit verbreitet. Nicht ganz zu Unrecht, wie Psychologen jetzt herausgefunden haben.

Von Christian Weber

In der Alltagssprache sind solche Metaphern gang und gäbe: Da entscheidet jemand mit einem kühlen Kopf, kalkuliert eiskalt oder reagiert hitzig. Neue Experimente zeigen nun, dass hinter solchen Sätzen auch ein bisschen Wahrheit stecken könnte. Das zumindest ist das Resultat einer Studie, die ein Team um den Psychologen Idit Shalev von der israelischen Ben-Gurion-Universität in Beer-Sheva in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Psychological Research veröffentlicht hat.

Die Forscher führten mit insgesamt 87 Studenten eine sogenannte Antisakkaden-Aufgabe durch. Unter einer Sakkade versteht man eine schnelle und sprunghafte Blickbewegung, bei der das Auge sich spontan auf ein Objekt richtet, etwa auf einen Gegenstand, der sich bewegt. In dem Experiment wurde nun gemessen, wie sehr es den Probanden gelingt, diesem unwillkürlichen Reflex zu widerstehen und in eine Richtung zu blicken, die der Bewegung entgegengesetzt war. Diese Fähigkeit gilt als Maß dafür, wie stark man sein Verhalten unter kognitiver Kontrolle hat.

Die Probanden sollten sich vorstellen, in einer Schneelandschaft zu sein

Im weiteren Verlauf der Untersuchung wurde dann untersucht, wie verschiedene Arten von äußeren Einflüssen - sogenannte Primings - das Ergebnis beeinflussen. Zuerst mussten die Studienteilnehmer ihre Hände auf eine Matte legen, die auf unterschiedliche Temperaturen gebracht wurde. Dabei zeigte sich, dass die Teilnehmer bessere Leistungen beim Antisakkaden-Test zeigten, wenn sie zuvor einen Kältereiz erfahren hatten. Das bestätigte frühere Studien.

Neu waren die Ergebnisse des zweiten Experiments: In diesem wurde den Probanden lediglich eine verschneite Winterlandschaft, eine sonnige Landschaft und eine neutrale Asphaltstraße gezeigt. Dann wurden sie gebeten, sich geistig in die jeweilige Szenerie zu versetzen. Erstaunlicherweise hatte die Vorstellungskraft ebenfalls einen signifikanten Einfluss auf die kognitive Kontrolle: Beim Winter-Priming konnten sie ihre Augenbewegungen besser steuern als bei Sonne.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2017
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