Süddeutsche Zeitung

Psychologie:Fairer Handel - saubere Ausrede

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Das Gewissen lässt sich manchmal ganz leicht austricksen: Menschen halten Schokolade aus fairem Handel für gesünder und weniger kalorienreich als herkömmliche Naschereien. Damit haben sie weniger Probleme, beherzt zuzugreifen.

Sebastian Herrmann

Menschen sind für jede Ausrede dankbar. Wenn sie zum Beispiel Schokolade essen, plagt viele ein schlechtes Gewissen. Aber stammt die Süßigkeit aus einem Betrieb, der gute Löhne zahlt oder Bauern in armen Ländern unterstützt, ist das eine prima Rechtfertigung für ungestörte Völlerei. Das berichten Psychologen um Jonathon Schuldt von der California State University in Northridge im Fachmagazin Social Psychological and Personality Science (online).

Die Forscher stellten fest, dass Verbraucher Produkten aus fairem Handel eine ganze Reihe von ungerechtfertigten positiven Eigenschaften zusprachen. Schokolade mit einem entsprechenden Zertifikat galt als gesünder sowie weniger kalorienreich und könne deshalb unbedenklich in größeren Mengen verzehrt werden als gewöhnliche Produkte.

Wenn eine Eigenschaft den Blick auf ein Produkt oder einen Menschen verzerrt, sprechen Psychologen vom so genannten Halo-Effekt. In einem klassischen Experiment demonstrierte der Sozialpsychologe Solomon Asch 1946, wie eine positive Charaktereigenschaft eines Menschen andere dazu verleitete, diesen mit weiteren wünschenswerten Eigenschaften in Verbindung zu bringen: Wer als warmherzig beschrieben wurde, der galt automatisch auch als großzügiger, freundlicher und verträglicher Typ.

Vergleichbare Effekte haben Forscher auch immer wieder bei der Bewertung von Nahrungsmitteln festgestellt - und ihn Health-Halo-Effekt getauft. Etwa wenn ein Hersteller auf einer Süßigkeitenpackung damit wirbt, das Produkt sei fettreduziert: In einer Studie glaubten die Probanden, das Naschzeug enthalte kaum Kalorien und genehmigten sich daher sehr großzügige Portionen.

Schuldt zeigte nun, dass die Bewertung eines Produktes sogar durch Eigenschaften dominiert werden kann, die nichts miteinander zu tun haben - von sozialen Arbeitsbedingungen zum Kaloriengehalt ist es ein viel größerer Sprung als von der Aussage, etwas sei fettreduziert.

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Quelle:
SZ vom 05.01.2012
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