Süddeutsche Zeitung

Nach Brand in Atomkraftwerk:Kommunikations-Chaos in Krümmel

Nur scheibchenweise kommt ans Licht, welche Pumpen plötzlich ausfielen und welche Notsysteme sich einschalteten. Das macht Angst und erschüttert jedes Vertrauen - in die Kernkraft, aber auch in die Politik.

Ralf Wiegand

Kernkraft spaltet - physikalisch mag das unzulässig verkürzt sein, weil Kernkraft ja schon das Produkt der Atomspaltung ist. Aber im übertragenen Sinne traf das schon immer zu: In Schleswig-Holstein ist derzeit wieder schön zu beobachten, wie sich Gegner und Befürworter der je nach Sichtweise mal umweltfreundlichen, mal lebensbedrohlichen Energie aus dem Reaktor positionieren und den Brand im Atomkraftwerk Krümmel interpretieren.

Alles im grünen Bereich oder doch Alarmstufe rot? Kleines Feuerchen oder großer Störfall?

Seit dem Zwischenfall in der nur einen Steinwurf von der Millionen-Metropole Hamburg entfernt gelegenen Anlage ist ein Informationsvakuum entstanden, das alle Ängste der Atomgegner ebenso schluckt wie die Beschwichtigungen der Befürworter. Der besorgte Bürger darf von der Politik im Land nicht allzu viel Aufklärung erwarten.

In der Großen Koalition im Kieler Landeshaus sitzen, wie in Berlin, in ein und derselben Regierung sowohl diejenigen, die Atomanlagen wie geplant abschalten wollen, als auch diejenigen, die die Laufzeiten der Reaktoren gerne verlängern würden.

Entsprechend stellt das SPD-geführte Sozialministerium, die Aufsichtsbehörde für Reaktoren, sehr kritische Fragen zu einer laut CDU-Fraktion doch völlig unauffälligen Schnellabschaltung.

Klar ist nur, dass in der Elbmarsch nicht nichts passiert sein kann. Dazu passt die Informationspolitik der Betreiber zu sehr ins Schema früherer Störfälle überall in Europa. Nur scheibchenweise kommt ans Licht, welche Pumpen plötzlich ausfielen und welche Notsysteme sich einschalteten. Das macht Angst und erschüttert jedes Vertrauen - in die Kernkraft, aber auch in die Politik.

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Quelle:
SZ vom 5.7.2007
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