Süddeutsche Zeitung

Molekularbiologe:James Watson verliert akademische Ehren

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Von Johanna Kuroczik

Der US-amerikanische Nobelpreisträger James Watson verliert die Ehrentitel seiner ehemaligen Forschungsstätte. In einer Fernsehdokumentation, die Anfang des Monats ausgestrahlt wurde, hatte sich der neunzigjährige Molekularbiologe zum wiederholten Male rassistisch geäußert. Er bekräftigte darin seine Behauptung aus dem Jahr 2007, dass dunkelhäutige Menschen aufgrund ihrer genetischen Veranlagung weniger intelligent seien als Hellhäutige.

Der Präsident des Cold Spring Harbor Laboratory auf Long Island im US-Bundesstaat New York nannte diese Äußerungen "verwerflich" und "wissenschaftlich unhaltbar". Als Konsequenz hat das Institut Watson bereits am vergangenen Freitag die Titel des emeritierten Kanzlers, Ehrentreuhändlers und emeritierten Professor aberkannt.

Watson war jahrzehntelang der Direktor der Forschungseinrichtung Cold Spring Harbor. Auch dessen Graduiertenkolleg für Biologie ist nach ihm benannt. Er wurde jedoch bereits 2007 von jeglicher akademischen Verantwortung entbunden. In einem Interview mit der britischen Zeitung The Sunday Times hatte er dem afrikanischen Kontinent eine düstere Zukunft prophezeit, und dies mit angeblichen kognitiven Unterschieden begründet.

Nachdem Watson seine Anstellungen verloren hatte, entschuldigte er sich offiziell für diese Äußerungen. Seine Stelle als Kanzler erhielt er nicht zurück, doch das Cold Spring Harbor Laboratory verlieh ihm daraufhin die nun verlorenen Ehrentitel. Die einstige Reue habe Watson mit seinem Auftritt in der Dokumentation "American Masters: Decoding Watson" jedoch revidiert, wie das Institut in seiner Pressemitteilung vom 11. Januar erklärt.

Aus Geldnot verkaufte er seinen Nobelpreis

Watson gilt als Wegbereiter der Genetik. 1953 entdeckte er gemeinsam mit Francis Crick und Rosalind Franklin die Struktur der DNA, dem Molekül, das die Erbinformationen aller Lebewesen speichert. Dafür erhielten Crick und Watson 1962 den Nobelpreis für Medizin. Mit anderen Forschern initiierte Watson das Human Genome Project, das in den Neunzigerjahren zur vollständigen Entschlüsselung der menschlichen Genoms ansetzte. Er wurde mit zahlreichen wissenschaftlichen Preisen ausgezeichnet. Das Time Magazine kürte ihn 1999 neben Albert Einstein und Sigmund Freud zu einem der 100 einflussreichsten Personen des 20. Jahrhunderts.

Rassistische Äußerungen führten dazu, dass sich die Forschungswelt zunehmend von Watson distanzierte. Er selbst fühle sich "geächtet", wie er 2014 erklärte. Als erster lebender Nobelpreisträger versteigerte er damals seine Nobelpreis-Medaille für rund 4,8 Millionen US-Dollar, wie der Nachrichtensender BBC berichtete. Der Wissenschaftler habe so auf seine missliche Lage hinweisen wollen und zudem sei er in Geldnöten gewesen.

Nach Angaben der BBC befindet sich Watson derzeit in medizinischer Obhut. Er erhole sich von einem Verkehrsunfall und nehme nur wenig von seiner Umgebung wahr. Die Fernsehsendung des öffentlichen Senders PBS wurde laut New York Times bereits im Juni 2018 aufgenommen.

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