Süddeutsche Zeitung

Militärgeschichte:Rätsel um U-Boot-Drama im Amerikanischen Bürgerkrieg gelöst

Lesezeit: 2 min

Von Jonathan Ponstingl

Mehr als 150 Jahre nach seinem Untergang ist das Rätsel um die H.L. Hunley gelöst. Das im US-Bürgerkrieg eingesetzte Schiff war das erste U-Boot, das je ein feindliches Schiff versenkte. Als die Hunley im Jahr 2000 geborgen wurde, bot sich ein erschreckender Anblick. Die Skelette der Matrosen saßen noch an den Handkurbeln. Zum Zeitpunkt ihres Todes waren die Matrosen gefechtsbereit. Woran die Besatzung gestorben war, blieb unklar.

Ein Team um Rachel Lance von der Duke University in Durham, North Carolina untersuchte die Vorgänge an Bord. Die Ergebnisse haben die Forscher im Fachblatt Plos One publiziert. Die Besatzung starb demnach durch Schockwellen eines von der Hunley selbst abgesetzten Torpedos.

Im Amerikanischen Bürgerkrieg errichteten die Nordstaaten eine Seeblockade vor der Hafenstadt Charleston. Um diese zu durchbrechen, setzte die Marine der Südstaaten kleine U-Boote wie die Hunley ein. Acht Mann steuerten ein schmales U-Boot von zwölf Metern Länge und einer maximalen Breite von 1,2 Metern. Durch eine Handkurbel betrieben sie einen Propeller am Heck, Gewichte hielten das Boot unter Wasser.

Das U-Boot versenkte ein Dampfsegelschiff der Union

Am 17.Februar 1864 griff die Hunley mit einem Spierentorpedo die USS Housatonic an, ein Dampfsegelschiff der Union. Mithilfe einer langen Stange stieß die Besatzung einen Sprengsatz aus mehr als 60 Kilogramm Schwarzpulver in den Rumpf des feindlichen Schiffes. Der Schaden an der Housatonic reichte aus, um sie zu versenken. Fünf Soldaten der Union starben, die restliche Crew konnte sich retten.

Unmittelbar nach der Explosion havarierte die Hunley jedoch selbst. Die geborgenen Besatzungsmitglieder wiesen keine Verletzungen auf. Die Luke des Bootes war geschlossen, die Gewichte noch befestigt und die Pumpen nicht darauf eingestellt, Wasser herauszupumpen. Es gab also keine Anzeichen für einen Flucht- oder Aufstiegsversuch.

Diesem Rätsel ging das Team um Rachel Lance auf den Grund. Sie fertigten eine Rekonstruktion der Hunley im Maßstab eins zu sechs an. In ihr Modell, das sie CSS Tiny tauften, bauten die Wissenschaftler auch Ballasttanks und Gewichte ein. Die Tiny setzen sie dann Schockwellen-Versuchen unter Wasser aus. Schockwellen verbreiten sich im Wasser wesentlich effizienter als in der Luft. Im Inneren des Modells maßen Sensoren die ankommenden Wellen.

Der Impuls des eigenen Torpedos zerriss die Lungen

Die Versuchsdaten kombinierte Lance mit den historischen Kenntnissen über den Angriff. Die Besatzung der Hunley ist demnach unmittelbar nach der Explosion ihres eigenen Torpedos gestorben. Die Forscher vermuten, dass die Schockwellen durch die Außenhülle des U-Bootes eindrangen und den Matrosen Lungentraumata zufügten. Dabei zerrissen die die Lungen der Mannschaft, an den Skeletten blieben keine sichtbaren Schäden zurück.

Sollte einer der Männer diese Schockwellen überlebt haben, hätten ihn Kurzatmigkeit und Sauerstoffmangel der Organe geplagt. Er wäre physisch nicht in der Lage gewesen, die Handkurbel zu bedienen um das U-Boot zu bewegen. Die Hunley trieb ab und sank.

Nicht nur das U-Boot, auch den Krieg verloren die Südstaaten wenig später. 1865 kapitulierten die letzten Truppen der Konföderierten.

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