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Insekten:Auf der Mauer, auf der Lauer

Normalerweise saugt die Wanze Psallus varians an Pollen und Blattläusen. Jetzt attackieren die Insekten plötzlich auch Menschen. Gibt es einen Zusammenhang mit den derzeitigen Wetterkapriolen?

Eine Wanzenart macht in Deutschland derzeit von sich reden: Sie sticht Menschen, statt sich an Grünzeug oder Blattläusen zu laben. "Es ist ein verblüffendes Verhalten", sagt der Wanzenexperte Wolfgang Dorow vom Senckenberg-Forschungsinstitut in Frankfurt. Er habe von Dutzenden Fällen berichtet bekommen, wonach die Insekten Menschen gestochen haben. Eine Menge Meldungen zu den Blutsaugern habe es in ganz Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gegeben.

Der Übeltäter heißt Psallus varians. Es ist eine wenige Millimeter große Weichwanzenart, die vor allem auf Buchen und Eichen zu finden ist. Dort saugen die Tiere gewöhnlich an Baumpollen oder knöpfen sich Blattläuse vor. "Es kommt eigentlich selten vor, dass sie sich vertun und Menschen stechen", betont Dorow. Doch während der Wetterkapriolen der vergangenen Tage mit Schwüle und Starkregen zeigten die Tierchen offenbar untypisches Verhalten. Augenzeugen berichten in sozialen Netzwerken von schwarmhaftem Auftreten und von entzündeten Stichwunden. "Dabei handelt es sich sicher um allergische Reaktionen. Normalerweise folgt auf den durchaus schmerzhaften Stich solcher Wanzenarten nicht einmal eine Hautrötung, wie sie etwa bei Mücken üblich ist", sagt der Fachmann.

Als Krankheitsüberträger sei die Weichwanzenart zudem nicht bekannt. Dass die Tiere in Massen auf Menschen losgehen, sei ungewöhnlich. Eine Erklärung für dieses Verhalten gebe es im Moment nicht. Psallus varians vermehrt sich sprunghaft im Mai und Juni. Im Hoch- und Spätsommer sind nur noch vereinzelt Tiere zu beobachten. Insgesamt sind nach Angaben Dorows 891 Wanzenarten in Deutschland bekannt, von denen nur fünf das Blut von Menschen, Vögeln oder Fledermäusen saugen.

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Quelle:
SZ vom 15.06.2016 / dpa
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