Süddeutsche Zeitung

Gewicht und Gehirn:Zu träge, um satt zu werden

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Dicke sind offenbar ein Opfer ihrer Biochemie. Ihr Gehirn reagiert langsamer auf Nahrungsaufnahme, berichten US-Forscher.

Christina Berndt

"Ich kann nichts dafür, es ist meine Schilddrüse", war lange die gängige Ausrede für einen allzu fülligen Körper. Die traf in den seltensten Fällen zu.

Doch nun liefern Wissenschaftler Dicken neue Argumente: "Ich kann nichts dafür, es sind meine Dopamin-Rezeptoren", könnten übergewichtige Zeitgenossen jetzt sagen. Offenbar sind sie wirklich nur ein Opfer ihrer Biochemie.

Ihr Gehirn reagiert einfach zu träge auf den Neurotransmitter Dopamin (eine Art Hormon des Gehirns), wenn sie etwas essen. Die Befriedigung, die man beim Essen erfährt, stellt sich damit erst nach einer größeren Nahrungsmenge ein, berichten US-Forscher ( Science, Bd.322, S.449, 2008).

Das Team um Eric Stice vom Oregon Research Institute machte Aufnahmen von den Gehirnen junger Frauen, um die Dopamin-Antwort auf ein Schokoladen-Milchshake nachzuvollziehen. Die Frauen, deren Hirnwindungen am zögerlichsten auf den Schoko-Geschmack reagierten, nahmen im folgenden Jahr am meisten zu, so das Ergebnis. Die Körperfülle gehorchte offenbar nicht so sehr dem Willen oder dem Maß an sportlicher Betätigung. Sie gehorchte den Hormonen.

Das ließ sich auch anhand der Gene vorhersagen: Auf Dopamin reagieren bestimmte Moleküle im Gehirn, die Dopamin-Rezeptoren. Wer davon besonders träge besitzt (nämlich die Variante DRD2/A1), wird durch Essen nur langsam glücklich. Die Forscher prophezeiten solchen Frauen den größten Aufwärtstrend auf der Personenwaage - und hatten Recht damit.

Die Vorgänge rund ums Dopamin werden schon seit längerem für Übergewicht verantwortlich gemacht. Doch mit seinen Gewichts-Vorhersagen hat der Psychologe Eric Stice den Zusammenhang nun erstmals überzeugend belegt. Fettleibigkeit sei also das Ergebnis einer "wirklichen Schwachstelle in der Biologie", folgert er. Dann aber, ist Stice überzeugt, dürfte es auch gelingen, sie mit Tabletten zu behandeln.

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Quelle:
SZ vom 17.10.2008/mcs
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