Süddeutsche Zeitung

Geologie:Und plötzlich ist da ein Loch

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Gerade wurde in Florida ein 37-Jähriger von der Erde verschlungen. Immer wieder tun sich dort Löcher auf, die Häuser und Straßen zerstören. Ähnliche geologische Bedingungen findet man jedoch auch in Deutschland.

Von Markus C. Schulte von Drach

Plötzlich sackt die Erde in die Tiefe, wo sich gerade noch Häuser, Straßen, Menschen befanden. In Florida kam bei einem solchen Vorfall nun ein 37-Jähriger ums Leben, unter dessen Haus in Seffner, einem Vorort von Tampa, sich ein tiefer Krater auftat. Und bevor sich die Einwohner in Hillsborough County in Florida noch von dem Schock erholt haben, ist drei Meilen entfernt das nächste Loch entstanden.

Meldungen von Kratern, die sich plötzlich auftun, erregen immer wieder Aufsehen. Häufig ist der Mensch selbst die Ursache: So brach 1994 in München ein Bus durch die Straßendecke und verschwand fast vollständig in einem riesigen, mit Wasser gefüllten Loch. Drei Menschen starben. Zuvor war aufgrund von Bauarbeiten an der Münchner U-Bahn der Untergrund ausgewaschen worden. 2007 entstand in Guatemala Stadt ein riesiges Loch, in dem zwei Menschen starben. Ursache war möglicherweise der Einsturz von Abwasserkanälen. Ähnliche Meldungen waren aus China zu hören, wo ganze Gebäude von Gruben verschlungen wurden.

Weniger spektakulär, dafür aber häufiger sind ähnliche Ereignisse in Deutschland etwa im Ruhrgebiet und anderen Orten, wo Bergbau betrieben wurde und wird. Hier sind sogenannte Bergsenkungen und kleinere oder größere Löcher entstanden, weil alte Bergbauschächte einstürzten oder ihre Verfüllung absackte. Nicht nur Häuser sind dadurch beschädigt oder zerstört worden. Bei Dortmund ist dadurch auch der Lanstroper See entstanden.

Aufsehen erregte in Deutschland dagegen der Krater, der sich 2010 im thüringischen Schmalkalden bildete: Das Loch war etwa 40 Meter breit und etwa 20 Meter tief - und es war wohl nur Glück, dass keine Wohnhäuser zerstört und Menschen verletzt wurden.

Im selben Jahr hatten sich in Thüringen bereits außergewöhnlich viele kleinere und größere Krater gebildet. Hier und auch auf der Schwäbischen Alb und der Paderborner Hochfläche kommt es allerdings regelmäßig zu solchen Ereignissen. Insbesondere Bauern stoßen auf ihren Feldern immer wieder auf neue Trichter, die sie einfach zuschütten.

Die Ursache ist hier nicht der Mensch, sondern die Beschaffenheit des Bodens: Es handelt sich bei den betroffenen Gebieten um Karstlandschaften. Solche Regionen sind charakterisiert durch ein gips-, kalk- oder salzhaltiges Grundgestein, das durch Wasser aufgelöst wird, welches Kohlensäure enthält. Solches leicht saures Wasser entsteht häufig, da sich dazu nur Kohlendioxid aus der Atmosphäre oder Humus über dem Grundgestein in Regenwasser lösen muss.

Sickert dieses Wasser zum Beispiel in Spalten im Kalkstein, kann es über längere Zeit ein ganzes Höhlensystem in den Untergrund fressen. Gelegentlich bricht eine Höhle ein und im Boden darüber entsteht ein trichterförmiges Loch. Meist sind es eher kleine Gruben, manchmal aber auch sehr große. So sackte am Nachmittag des 14. April 1913 bei Ibbenbüren innerhalb einer Stunde eine Fläche mit einem Durchmesser von mehr als hundert Metern um etwa zwanzig Meter ab und füllte sich danach mit Wasser. Heute befindet sich hier der Erdfallsee des Naturschutzgebietes Heiliges Meer.

Auch in Florida ist es nicht ungewöhnlich, dass sich Löcher auftun. Im Gegenteil, die als " Sinkholes" bezeichneten Gruben gelten als eine natürliche Eigenschaft der Landschaft, wie etwa Ann Tihansky vom U.S. Geological Survey in Tampa, Florida, schreibt. Das liegt daran, dass die Halbinsel eine sogenannte Karbonatplattform ist. Das Land besteht unter der Oberfläche aus Erde und Sand vor allem aus Kalkablagerungen. Etliche Erdfälle werden jedes Jahr gezählt. Meist sackt der Boden allerdings nur leicht ab und es entstehen eher kleine Trichter, die sich mit Wasser füllen.

Doch auch Einbrüche von unterirdischen Hohlräumen kommen immer wieder vor. Und es ist in der Vergangenheit auch immer wieder zu örtlichen Katastrophen gekommen, bei denen Gebäude und Straßen beschädigt oder zerstört wurden.

Besonders spektakulär war ein Ereignis 1981, als in der Stadt Winter Park eine Fläche mit etwa 100 Metern Durchmesser absackte. 1994 öffnete sich ausgerechnet unter einer Industriemüllhalde mit 80 Millionen Tonnen giftigem Phosphorgips ein Krater, über den der Industriemüll das Grundwasser verseuchte. Dieser und weitere Fälle belegen, dass die Erdfälle auch ein Risiko für die Umwelt darstellen, weil etwa Industrieanlagen nicht auf Gefahren eingerichtet sind, die im Boden lauern.

Gerade Hillsborough County, der Bezirk in Florida, in dem es nun zu dem Todesfall gekommen ist, gehört zu den Regionen, in denen es besonders häufig Erdfällen auftreten. Experten raten der Bevölkerung in solchen Gebieten, auf Hinweise auf Veränderungen im Boden zu achten - das können vor allem Risse in Gebäudefundamenten und Wänen sein. Besteht der Verdacht, dass sich ein Erdfall ereignen wird, kann versucht werden, die Infrastruktur zu schützen, indem man eine Mischung aus Sand und Zement in die Hohlräume im Untergrund pumpt.

In Seffner haben die Rettungskräfte inzwischen die Suche nach Jeff Bush, der buchstäblich vom Erdboden verschlungen wurde, aufgegeben. Vermutlich wird die Grube, in der er starb, nun auch zu seinem Grab.

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