Süddeutsche Zeitung

Fortpflanzung:Schwule Käfer

Bei einigen Käferarten paaren sich bis zu 85 Prozent der Männchen mit Geschlechtsgenossen. Ist Homosexualität unter Krabbeltieren also das Standardbeziehungsmodell?

Von Sebastian Herrmann

Das Tierreich kennt keine Moralapostel. Unter Pinguinen, Delfinen, Affen und anderen Tieren regt sich niemand auf, wenn sich zwei Männchen oder zwei Weibchen zum gleichgeschlechtlichen Sex treffen. Homosexualität scheint eine ziemlich normale Angelegenheit unter Tieren zu sein. Auch Insekten und Spinnen begatten regelmäßig Artgenossen des gleichen Geschlechts - und zwar mit erstaunlicher Häufigkeit.

Bei einigen Käferarten paaren sich bis zu 85 Prozent der Männchen mit Geschlechtsgenossen. Ist Homosexualität unter Krabbeltieren also das Standardbeziehungsmodell?

Nein, sagen nun die Biologen Inon Scharf von der Universität Tel Aviv und Oliver Martin von der ETH Zürich in einem Überblicksartikel im Fachjournal Behavioral Ecology and Sociobiology (online). Die Mehrzahl der gleichgeschlechtlichen Paarungen unter Insekten und Spinnen beruhe schlicht auf Verwechslung.

Homosexuelle Erfahrungen verschaffen Säugetieren evolutionäre Vorteile, argumentieren viele Wissenschaftler. Jungtiere können so Erfahrungen sammeln, gleichgeschlechtlicher Sex fördert außerdem den Zusammenhalt in Gruppen. Bei Insekten und Spinnen gelte dies jedoch nicht, so Scharf und Martin. Jede Paarung stellt ein Risiko für Leib und Leben dar, Übung ist da zu kostspielig.

Die Biologen argumentieren stattdessen, dass Insekten einfach darauf angewiesen sind, jede sich bietende Chance zu nutzen, um sich fortzupflanzen. Da merkten sie oft nicht, wenn sie sich an einen Geschlechtsgenossen verschwenden. Das könne passieren, so die Biologen, denn oft sehen sich die Geschlechter sehr ähnlich. Und hat sich der Partner gerade mit einem Weibchen gepaart, trägt er noch deren verführerischen Duft am Leib.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2013
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