Süddeutsche Zeitung

Fliegen trotz der Aschewolke:Starten - aber Abstand halten

Lesezeit: 3 min

Der Luftraum über Deutschland ist gesperrt, aber nur für den Instrumentalflug bis 6000 Meter Höhe. Darunter darf mit Sondergenehmigung im Sichtflug durch die Aschewolke geflogen werden - auf Verantwortung des Piloten.

Auf fast allen deutschen Flughäfen starten und landen wieder Passagiermaschinen, obwohl der Luftraum über Deutschland wegen der Vulkanasche aus Island eigentlich gesperrt ist.

Die Sperrung gilt allerdings nur für den sogenannten Instrumentenflug im unteren Luftraum. Oberhalb von sechs Kilometern Höhe sind diese für Passagiermaschinen üblichen Flüge möglich.

Und mit einer Sondergenehmigung der Deutschen Flugsicherung (DFS) und des Luftfahrt-Bundesamts (LBA) können in Deutschland auch Starts und Landungen stattfinden - unter Sichtflugbedingungen und wenn das Wetter dies erlaubt.

Der untere Flugraum wurde von der DFS in zwei Bereiche eingeteilt: Nach dem Start und bis 3000 Meter wird im normalen Sichtflug geflogen. Das heißt, der Pilot muss sich an sichtbaren Anhaltspunkten orientieren und kann eigenhändig entscheiden, ob er seinen Kurs ändert oder nicht. Das wird zum Beispiel notwendig, um Wolken auszuweichen, in die er im Sichtflug nicht hineinfliegen darf. Auch muss er einen Sicherheitsabstand zu anderen Flugzeugen einhalten.

Oberhalb von 3000 Metern Höhe und in den Gebieten um die großen Flughäfen wird im sogenannten kontrollierten Sichtflugverfahren geflogen. Das heißt, die Piloten melden sich bei den zuständigen Fluglotsen an. Diese übermitteln den Piloten Informationen wie Kurs, Höhe und Geschwindigkeit der Flugzeuge im Bereich der Flugsicherung, geben aber keine festen Flugrouten vor wie im Instrumentenflug.

Auch hier muss der Pilot im Prinzip nach Sicht fliegen. Neben den Anweisungen durch Lotsen nutzt er natürlich alle Instrumente und Informationen wie Funkfeuer und Satelliten-Navigation.

Im Sichtflugverfahren fliegen normalerweise Privat- und Sportflugzeuge. Passagier- und Frachtflugzeuge nutzen dagegen sonst das Intrumentenflugverfahren.

Hier verlassen sich die Piloten vor allem auf die Technik, und sind nicht auf äußere Anhaltspunkte wie den Horizont oder Orientierungspunkte am Boden angewiesen.

Außerdem bekommen sie Flugrouten von den Fluglotsen zugewiesen. Sie könnten die Flieger gewissermaßen blind steuern und sind so unabhängig vom Wetter. Die Landebahn oder ihre Lichter muss ein Pilot allerdings sehen können, bevor er landet.

Für den Flugverkehr und die Airlines hat der kontrollierte Sichtflug einige Nachteile. So ist zum Beispiel die Luft in der niedrigen Höhe dichter als in der üblichen Flughöhe von mehr als zehn Kilometern. Deshalb ist der Luftwiderstand größer, was den Verbrauch der Flugzeuge erhöht.

Der im Augenblick wichtigste Unterschied zwischen dem Instrumentenflug und dem Sichtflug ist allerdings, dass der Pilot für die Sicherheit des Flugzeugs und der Passagiere verantwortlich ist - unabhängig davon, welche Anweisungen von den Fluglotsen kommen.

Und das ist auch der Grund, weshalb die Flugzeuge fliegen dürfen. Die Flugsicherung gibt die Verantwortung einfach an die Piloten und die Airlines ab, die dann durch die Aschewolke hindurchfliegen.

Das Sichtflugverfahren, so betont die Deutsche Flugsicherung (DFS), sei absolut sicher. Aber "was die Aschewolke angeht, können wir das nicht sagen - das muss der Pilot selbst entscheiden", sagte DFS-Sprecher Axel Raab.

Deshalb kommt auch Kritik an den Sonderflügen von der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC). "Entweder ist der Luftraum sicher oder er ist es nicht.

Dann ist es letztlich egal, nach welchen Regeln man da durchfliegt", sagte Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg. "Man hat nur eine juristische Winkelkonstruktion gesucht, um die Flugzeuge in die Luft zu bringen."

Nach Einschätzung der VC ist es nicht mit Sicherheit ausgeschlossen, dass es zu Vorfällen kommen kann. "Die Piloten fühlen sich unter Druck gesetzt, weil sie sich ihrem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet fühlen", erklärte Handwerg in der ARD-Sendung Beckmann.

Das Ganze laufe nach dem Motto: "Es wird schon gutgehen", kritisierte Handwerg. Die Verantwortung sei jetzt auf die Piloten verlagert worden. Piloten hätten zwar juristisch gesehen die Möglichkeit, einen Flug aus eigenen Sicherheitsbedenken nicht anzutreten.

Allerdings stehe jeder Pilot auch in einem Arbeitsverhältnis und könnte sich damit den Vorwurf der Arbeitsverweigerung einhandeln, was zu einem Verlust des Jobs führen könnte. Und "wenn etwas passiert, wird jeder sagen: 'Das war alles genehmigt, das war abgestimmt, uns kann man nichts vorwerfen.'" Dann habe eben der Pilot den Fehler gemacht, "der hätte ja nicht durch die Wolke fliegen dürfen".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.937011
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/dpa/AFP/Reuters
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.