Süddeutsche Zeitung

Psychologie:Kompetent wirkt, wer den Kunden bestätigt

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Von Sebastian Herrmann

Wird über Altersvorsorge gesprochen, verabschiedet sich die Laune in den Keller. Die Post von der Rentenversicherung ist für viele nicht zu verstehen, und die ständigen Ermahnungen zu privater Vorsorge lassen einen verzweifeln. Wie kann man Geld anlegen, ohne es in den Wind zu schießen? Dauernd stehen Entscheidungen an, für die einem die Faktenbasis fehlt. Wer immerhin so schlau ist, seine Wissenslücken zu erkennen, begibt sich auf die Suche nach Spezialisten. Da drängt sich die nächste Frage auf: Wie lässt sich die Qualität eines Experten bewerten, woran erkennt ein Laie, ob er gerade fundierten Rat erhält? An dieser Stelle meldet sich das Bauchgefühl.

Als guter Experte gilt jemand, der einem sagt, was man hören will. Wie viel Ahnung die Person tatsächlich hat, ist egal. Das zeigen die Psychologen Tomasz Zaleskiewicz und Agata Gasiorowska von der Universität Breslau im Fachmagazin Applied Psychology. Die Teilnehmer der Studie mussten entscheiden, ob sie ein Investment-Depot eröffnen sollten oder der Abschluss einer Lebensversicherung sinnvoll sei und sich entsprechend beraten lassen. Die Forscher manipulierten die Teilnehmer so, dass diese auf jeden Fall eine Haltung zu den Fragen hatten, schließlich zählen Lebensversicherungen nicht zu den Themen, über die Menschen sonst leidenschaftlich zu streiten pflegen. Sobald sie aber eine Ansicht dazu hatten, betrachteten sie Berater als kompetent, die ihnen die dazu passende Empfehlung gaben.

Das Phänomen beschränkt sich nicht auf Gespräche beim Bankberater. Beim Arztbesuch ticken Patienten ganz ähnlich. Wie soll ein Kranker schon erkennen, ob ein Mediziner einem die richtige Diagnose stellt und dann die beste Therapie oder nur sinnfreien Firlefanz anbietet? Als gut gilt ein Arzt, wenn er zum Beispiel die aus dem Internet stammende Eigendiagnose des Patienten bestätigt.

Es fühlt sich so schön an, recht zu haben und bestätigt zu werden. Psychologen um Stefan Schulz-Hardt von der Universität Göttingen haben in Studien ebenfalls beobachtet, dass ein Gesprächspartner als besonders kompetent gilt, wenn er gleicher Meinung ist. Überhaupt gelten Informationen generell als besonders glaubwürdig, aussagekräftig und bedeutend, wenn sie die Ansichten des Zuhörers bestätigen. Ob sie korrekt sind oder nicht, spielt hingegen kaum eine Rolle.

Werden aber die eigenen Meinungen herausgefordert, weckt dies den inneren Kritiker. Jedes Argument wird nun abgeklopft und auf ein Ziel hin geprüft: Gründe zu finden, diese empörenden Aussagen zurückzuweisen. Hält also ein Anleger Aktien für eine hoch riskante Form der Geldvernichtung, kann sich der Berater die Mühe sparen, ihm von den Chancen solcher Wertpapiere zu berichten - er würde am Ende doch nur als ahnungsloser Schwätzer gelten.

Was aber geschieht, wenn jemand ohne Meinung zum Anlageberater marschiert? Zu Rentenfonds und anderen Finanzfolterinstrumenten haben schließlich die wenigsten ausgeprägte Ansichten. In diesem Fall, so Zaleskiewicz, vertrauen die meisten auf das, was als populär und geläufig gilt. Solchen Kunden muss der Berater also nur die Standardlösung vorschlagen, um kompetent zu erscheinen.

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Quelle:
SZ vom 09.02.2018
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