Süddeutsche Zeitung

Materialwissenschaft:Die Formel für den besten Espresso

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Von Christian Weber

Es war ein ambitioniertes Projekt: Ein zehnköpfiges, internationales Team von Mathematikern, Physikern, Chemikern und Materialwissenschaftlern arbeitete über Wochen zusammen, beraten von erfahrenen Baristas. Mit leider nur vereinfachten Formeln simulierten sie die überaus komplexen Prozesse beim Zusammentreffen von heißem Wasser und gemahlenem Kaffee - die Forscher bekunden ihr Bedauern, dass ihnen niemand eine Armee von Supercomputern zur Verfügung stellen wollte.

Stattdessen vollführten sie Hunderte Experimente. Anregen ließen sie sich von Erkenntnissen über den Fluss von Lithium-Ionen in Batterien. Jetzt veröffentlichte das Team um den Chemiker Christopher Hendon von der University of Oregon und den Mathematiker Jamie Foster von der University of Portsmouth in dem renommierten Fachmagazin Matter das Ergebnis ihrer Forschung: die Formel für den immer perfekten Espresso.

Angetrieben hatte die Wissenschaftler ihre Unzufriedenheit. Sie wunderten sich, dass es selbst bei vermeintlich gleicher Zubereitung so schwierig sei, einen beständig guten Espresso hinzubekommen. Ein Hauptgrund dafür sei der verbreitete Ratschlag, die Kaffeebohnen möglichst fein zu mahlen, um alles Aroma aus ihnen rauszuholen. Das sei zwar auf den ersten Blick plausibel, weil man derart die Oberfläche der Substanz vergrößere. Das Problem sei jedoch, dass gerade dieses feine Pulver im Sieb der Maschine zum Verklumpen neige, zudem den Wasserdurchfluss behindere und verlangsame, was das Getränk häufig bitter mache.

Entsprechend einfach ist die Abhilfe, die von den Forschern vorgeschlagen wird. Sie schlagen vor, pro Tasse 25 Prozent weniger Bohnen zu nehmen, etwa 15 statt 20 Gramm, und diese deutlich gröber zu mahlen. Weil dann das Kaffeepulver besser umspült werde, entfalte sich das volle Aroma, ohne dass der Espresso deutlich schwächer würde. Und weil dann der Brühprozess je nach Maschine nur sieben bis 14 Sekunden dauere statt der üblichen 25 Sekunden, reduziere sich die Gefahr, dass das Heißgetränk bitter werde.

Angenehm sei der ökonomische Nebeneffekt dieser Maßnahme: Allein die Coffee-Shops der USA könnten auf diese Weise 1,1 Milliarden Dollar pro Jahr sparen, haben die Wissenschaftler hochgerechnet. Eigentlich hätten sie es verdient, dass die Baristas der Welt ihnen einen Supercomputer spendieren.

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SZ vom 23.01.2020
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