Süddeutsche Zeitung

Covid-19:Experten halten kostenlose Corona-Tests für unabdingbar

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Noch vor einem Monat hieß es, es sei unfair, die Gemeinschaft weiterhin für Corona-Tests von Erwachsenen aufkommen zu lassen, die sich nicht impfen lassen. Doch inzwischen sich der Blick auf die Tests und ihre Kosten um 180 Grad gedreht.

Von Christina Berndt

Vor einem Monat waren sich die meisten Experten aus Politik und Wissenschaft noch einig: Es sei unfair, die Gemeinschaft weiterhin für Corona-Tests von Erwachsenen aufkommen zu lassen, die sich nicht impfen lassen wollen. Schließlich habe nun jeder ein Impfangebot gehabt. Und außerdem könnten die teuren Tests auch ein Anreiz sein, vielleicht doch noch den einen oder die andere zur Impfung zu bewegen. Nur wenige Wochen später hat sich der Blick auf die Tests und ihre Kosten um 180 Grad gedreht. Auch wenn mit 54 Prozent die Mehrheit der Bevölkerung laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov gegen die Wiedereinführung kostenloser Corona-Tests für alle ist, fordern immer mehr Politiker und Expertinnen, genau die wieder anzubieten.

Das Ende der Kostenübernahme für die Bürgertests habe nicht dazu geführt, Impfunwillige zu einer Impfung zu motivieren, sagte beispielsweise der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) haben sich offen für eine Wiedereinführung der kostenlosen Tests gezeigt. Und Janosch Dahmen, Gesundheitsexperte der Grünen, schrieb auf Twitter: "Die Abschaffung der Gratistests war falsch, die Tests müssen wiedereingeführt werden." Allerdings sollten diese von nun an mit einem QR-Code ausgestellt und in die Corona-Warn-App eingelesen werden, so Dahmen - so lasse sich die Kontrolle verbessern.

"Geimpfte dürfen sich nicht in falscher Sicherheit wiegen."

Für den Virologen Hendrik Streeck sind die kostenfreien Tests geradezu unabdingbar. "Um der aktuellen Infektionslage noch irgendwie Herr werden zu können, brauchen wir möglichst umfassendes Testen", sagte der Direktor der Virologie am Universitätsklinikum Bonn der SZ. Finanzielle Hürden würden dem zuwiderlaufen. "Wenn sich jetzt möglichst viele Menschen testen lassen, lassen sich Infektionsketten besser unterbrechen."

Der Virologe befürchtet, dass es im Land auch wegen der mit Kosten verbundenen Tests mittlerweile eine besonders hohe Dunkelziffer an unentdeckten Corona-Fällen gibt. Diese aufzudecken und betroffene Menschen zu isolieren, sei dringend nötig. Auch Geimpfte sollten möglichst häufig Gebrauch von einem Testangebot machen. "Wir wissen, dass auch sie sich anstecken und zur Verbreitung des Virus beitragen können", so Streeck. Geimpfte dürften sich deshalb nicht in falscher Sicherheit wiegen. Eben das könnten aber Zutrittsbeschränkungen wie 2 G befördern, bei denen nur Geimpfte und Genesene eine Veranstaltung besuchen dürfen. "Ich sorge mich, dass wir dadurch zu viele Ansteckungen ermöglichen und Infizierte übersehen", so Streeck.

Dem stimmt auch Franziska Briest zu von der Initiative Rapid Tests Deutschland zu, die sich schon seit Beginn der Pandemie für mehr Schnelltests einsetzt. "Wenn wir darauf verzichten, Geimpfte zu testen, verlieren wir den Überblick über das Infektionsgeschehen", sagt die Biochemikerin und Krebsforscherin. In der Bevölkerung werde das Infektionsrisiko im 2-G-Bereich immer noch unterschätzt - auch durch zum Teil bewusst verharmlosende Kommunikation. "Man sollte Tests nicht als Bestrafung oder Druckmittel für Ungeimpfte missbrauchen", so Briest. Vielmehr sollte man klar kommunizieren, dass es auch für Geimpfte wichtig sei, sich testen zu lassen - vor allem, wenn sie ältere Menschen treffen oder viele Menschen auf engem Raum. Kostenfreiheit sei dabei wichtig: "Wir machen die Tests ja nicht, um uns selbst damit einen Gefallen zu tun, sondern um andere zu schützen. Dieser Fremdschutz sollte jenen, die sich testen lassen, finanziell nicht zu Lasten gelegt werden."

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