Süddeutsche Zeitung

Psychologie:Die treue Lilo

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Warum Menschen Autos, Instrumenten und anderen Dingen einen Namen geben.

Von Sebastian Herrmann

Heather war eine Lady von stolzer Würde. Zwar plagten sie bereits ein paar Zipperlein. Doch mit etwas Pflege und Aufmerksamkeit war Heather stets da, wenn sie gebraucht wurde: Trotz ihrer vielen Jahre war meist Verlass auf sie. Treu kutschierte sie das Paar samt Baby monatelang über die Straßen Neuseelands. Heather war ein Wohnmobil der Marke Bedford, Baujahr 1973. Freunde hatten den Wagen am anderen Ende der Welt gekauft und waren damit fast ein ganzes Jahr unterwegs. Das alte Wohnmobil strahlte Charakter aus, da kam der Name von ganz alleine: Heather. Auch andere Bekannte neigen dazu, ihren Campingbussen Namen zu geben. Lilo oder Eberhard zum Beispiel. Und eine gute Freundin, die seit einiger Zeit auf einen elektrisch betriebenen Rollstuhl angewiesen ist, hat diesen auf den Namen Otto getauft.

Was treibt Erwachsene dazu, Fahrzeugen und Gegenständen Namen zu geben? Ist das nicht ein bisschen albern? Sie befinden sich zumindest in prominenter Gesellschaft. So ist von einigen großen Musikern bekannt, dass diese ihre Instrumente zärtlich mit Namen ansprachen. B.B. King nannte seine Gitarre Lucille, der Songwriter Willie Nelson spricht seine als Trigger an. In dieser unschuldigen Vorstufe der Objektophilie drückt sich Wertschätzung aus. Mit namenlosen Dingen (und Menschen sowieso) lässt sich kaum eine innige Beziehung führen. Und schließlich sind Heather, Lilo, Eberhard, Otto, Lucille und Trigger Gefährten, die ihre Besitzer durch Phasen oder gar das ganze Leben begleiten.

Entscheidend ist offenbar, den Namen selbst auszusuchen

Womöglich, das finden Forscher um Alan Daniel von der Texas A&M University, lässt sich diese Beobachtung sogar als eigenständiger Effekt beschreiben und in die Forschungsliteratur eingliedern. So zumindest lautet das Kernargument einer Publikation, die Daniel gerade auf dem Pre-Print-Server PsyArXiv publiziert hat. Das mag angesichts einer einzelnen, kleinen Studie vermessen sein, ein paar Schlaglichter wirft Daniel aber doch auf diese Sache mit den Namen. So zeigte sich in den Versuchen, dass der Akt der Namensgebung die Bindung zu einem Objekt vertieft. Ein namenloses Ding oder eines, das bereits einen von Fremden vergebenen Namen trägt, weckte in den Teilnehmern im Vergleich geringere Wertschätzung. Konnten sie aber selbst einen Namen aussuchen, baute sich offenbar eine vertiefte Beziehung auf.

Was diesen Namen-Bindungseffekt befeuert, darüber können die Forscher um Daniel nur spekulieren. Steigert die sinnbildliche Taufe eines Gegenstandes das Gefühl, dieses erst wirklich zu besitzen? Dafür fanden sich in der Studie keine belastbaren Hinweise. Die Probanden schätzen die von ihnen benannten Dinge zwar sehr, waren aber meist bereit, sich von diesen auch wieder zu trennen. Es könnte auch der kognitive Aufwand während der Namensfindung sein, der Wertschätzung erhöht, so eine weitere Überlegung der Forscher. Vielleicht aber, das als Idee von der Seitenlinie, verhält es sich andersherum: Es könnte sein, dass die ohnehin besondere Beziehung zu einem charaktervollen Ding den Drang erst weckt, diesem einen Namen zu geben. Was dann die Liebe zu Heather und den anderen Gefährten weiter vertieft.

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