Süddeutsche Zeitung

Archäologie:Forscher finden den Ankerplatz von Cäsar

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Von Hubert Filser

Julius Cäsar startete die Invasion Großbritanniens in einer stürmischen Nacht am 4. Juli des Jahres 54 vor Christus. Als Landezone der 800 Schiffe zählenden Flotte diente nach neuen Erkenntnissen britischer Archäologen die weite und flache Pegwell-Bucht der heutigen Grafschaft Kent. Andrew Fitzpatrick von der Universität Leicester vermutet, dort den lange gesuchten Ankerplatz der Invasoren endlich entdeckt zu haben.

Unweit der Küste stieß sein Team auf die Überreste eines antiken römischen Stützpunkts aus dem ersten Jahrhundert vor Christus, mehr als 20 Hektar groß und ideal gelegen, um die Schiffe und angelandetes Kriegsgerät zu schützen. Die Forscher fanden nicht nur römische Waffen aus Eisen, sondern auch einen langen, tiefen Verteidigungsgraben, wie ihn Archäologen auch nahe der französischen Stadt Alesia (von Caesar selbst in seiner berühmten Schrift "De bello Gallico" beschrieben) auf einem Schlachtfeld des Gallischen Kriegs aus dem Jahr 52 vor Christus gefunden hatten. Der Stützpunkt an der Pegwell Bay sei der erste Nachweis der Invasion des römischen Feldherrn auf der britischen Insel, so Fitzgerald.

Auf die Spur des Militärlagers waren die Forscher bei Sondierungsgrabungen im Zuge eines Verkehrsprojekts in der Region gestoßen. Das Gebiet um die Pegwell-Bucht nahe Ramsgate galt bisher eher nicht als möglicher Landungsort, denn es lag auf der einst durch den Wantsum-Kanal vom Festland getrennten Isle of Thanet im Mündungsgebiet der Themse. Allerdings dürfte der schmale Kanal zum Festland für die römischen Truppen kaum ein Hindernis dargestellt haben. Die Südküste um Dover ist zu steil, die Schiffe hätten leicht von den Klippen aus abgewehrt werden können.

Cäsar brauchte für seine Invasion ein Basislager für die Besatzung der Schiffe, vermutlich mindestens 20 000 Soldaten, darunter 2000 Reiter mit Pferden. Er selbst beschrieb den Britannien-Feldzug in Briefen an Cicero. Offenbar war die Flotte in der Nacht des 4. Juli 54 vor Christus etwa 20 Kilometer westlich von Calais in Richtung Britannien gestartet und nach Osten abgetrieben worden. Erst bei einsetzender Flut konnten die Soldaten im Morgengrauen des 5. Juli in Richtung Britannien rudern und kamen gegen Mittag in der sandigen Bucht an, wo die mächtigen, aber mit wenig Tiefgang gebauten Schiffe gut anlegen konnten.

Die Guerilla-Taktik der Britannier zermürbte die Römer. Sie fuhren wieder nach Gallien

In den kommenden Tagen verschlechterte sich das Wetter, ein Sturm mit heftiger Springflut zerstörte mindestens 40 Schiffe, Anker brachen. Cäsar ließ die Schiffe an Land ziehen, um sie dort reparieren zu lassen. Er musste sich auf einen längeren Aufenthalt einrichten. Der Hauptzweck des nun entdeckten Stützpunkts sei es gewesen, die Flotte zu schützen, sagt Andrew Fitzgerald.

Die Archäologen entdeckten bei weiteren Grabungen nahe Ramsgate Spuren von Auseinandersetzungen, Knochen von Soldaten mit typischen Kampfspuren wie auch eiserne, gut zehn Zentimeter lange Spitzen von Wurfspießen. Gegen die Übermacht der Römer waren die Britannier zwar nicht gewappnet, doch offenbar gelang es Caesar auch nicht, sich dauerhaft auf der Insel festzusetzen.

Die Guerilla-Taktik seiner Gegner ließ ihn abziehen, zumal auch Gallien noch nicht komplett erobert war. Bei Rückfahrt im September hatte er hochrangige Geiseln adeliger Familien an Bord, ein typisches Verhalten Cäsars, um unbesiegte Gegner in Schach zu halten. Seine Erfahrungen sowie die detaillierten geografischen und klimarelevanten Erkenntnisse nutzen dem späteren Kaiser Claudius, als dieser fast hundert Jahre später, im Jahr 43 nach Christus, die Insel eroberte und die Römer fast 400 Jahre lang blieben.

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Quelle:
SZ vom 30.11.2017
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