Süddeutsche Zeitung

Archäologie:Polomatch vor 3000 Jahren?

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In einem Reitergrab in China entdecken Forscher die bislang ältesten Bälle Eurasiens - und rätseln nun über deren sportlichen Gebrauch.

Von Carina Seeburg

Fast wie vergessen lag der mit Lederstreifen ausgestopfte Ball in einer Ecke des Grabes. Der Mann, dem der Ball einst gehörte, war prächtig gekleidet: Er trug einen Ledermantel, eine farbige Wollhose und rote Lederstiefel mit Bronzeknöpfen. Ein buntes geflochtenes Band war um seine Stirn gebunden und eine mit Edelsteinen besetzte Halskette lag auf seiner Brust. Die kurze Peitsche mit Holzgriff und eine Lederbogenscheide identifiziere den auf dem prähistorischen Yanghai-Friedhof nahe der heutigen Stadt Turfan im Nordwesten Chinas entdeckten Verstorbenen als Reiter und möglicherweise als berittenen Krieger, schreibt ein internationales Forscherteam im Journal of Archaeological Science: Reports.

Die Hose des Reiters ist eine der ältesten, die je gefunden wurde, nur ein paar Gräber weiter hatten Forscher bereits 2014 die älteste Hose der Welt entdeckt. Aber mehr noch als das Beinkleid des Reiters überraschte die Wissenschaftler der Lederball, der mit ihm begraben wurde, und der kein Einzelfund blieb. In zwei weiteren Gräbern lagen Bälle neben den Verstorbenen. Alle drei Kugeln sind zwischen 2900 bis 3200 Jahre alt, "etwa fünf Jahrhunderte älter als die bisher bekannten alten Bälle in Eurasien", sagt Patrick Wertmann vom Institut für Asien- und Orientalistik der Universität Zürich.

In den Gräbern fanden sich auch Schläger - aber wie die Bälle gespielt wurden, ist unklar

Zwar zeugen monumentale Ballplätze davon, dass Mittelamerikaner bereits seit mindestens 3700 Jahren Ball spielen und 4500 Jahre alte Funde legen das auch für Ägypten nahe. Bisher glaubte man jedoch, dass Ballspiele in Europa und Asien erst viel später, etwa vor 2500 Jahren, folgten.

Die ältesten Darstellungen in Gräbern der Tang-Dynastie zeigen Reitspieler mit gebogenen Stöcken, weshalb die frühe Geschichte des Ballspiels in Eurasien bisher mit einer Art Frühform von Polo in Verbindung gebracht wird. Und tatsächlich wurden in weiteren Gräbern des Yanghai-Friedhofs neben den drei Bällen auch gebogene Holzstöcke ausgegraben. Waren dies Hinweise auf früheste Polospiele in Eurasien?

Die Wissenschaftler stellten jedoch fest, dass Bälle und Stöcke nicht eindeutig auf die gleiche Zeitperiode datiert werden können. "Unsere Studie bestätigt das Alter der Yanghai-Bälle, aber die verfügbaren Daten reichen nicht aus, um die Frage zu beantworten, wie diese Bälle gespielt wurden", schreibt das Forscherteam. Auf allen drei Lederbällen prange ein rotes Kreuz, das aufgrund schriftlicher Quellen aus der Yuan-Dynastie mit dem Polospiel in Verbindung gebracht werde. Die Forscher vermuten, dass sie in dem Teamsport verwendet wurden. Aber ganz sicher ist das nicht, da die Stöcke in anderen Gräbern deutlich jünger sind.

Doch egal, ob die Bälle für eine frühe Form von Fußball, Handball, Polo oder Tennis verwendet wurden: Die Funde sind für Wissenschaftler auch aus anderen Gründen hochinteressant. Denn die Hose, die einer der Männer trug, wird einer neuen Ära des Reitens zugeordnet, in der die Mobilität der Menschen zunahm. Und weil Ballspiele auch in der Antike als hervorragende Form des militärischen Trainings angesehen wurden, vermuten die Forscher, dass Spiele wie Polo zu einer Zeit entstanden, als Reiter-Kasten sich etablierten und in immer größeren Horden durch das Land zogen. Die Ergebnisse gäben Zeugnis davon, dass die Region um das heutige Turfan vor tausenden von Jahren eines der Innovationszentren der Welt war.

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