Süddeutsche Zeitung

Ameisenstaaten:Der Superorganismus

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Wenn einzelne Ameisen angegriffen werden, fühlt sich gleich der ganze Insektenstaat bedroht.

Von Tina Baier

Wenn einzelne Ameisen angegriffen werden, fühlt sich gleich der ganze Insektenstaat bedroht. Die Kolonie reagiert, als wäre sie ein einziges großes Lebewesen, ein Superorganismus, der die Größe der Gefahr einschätzen kann und dementsprechend reagiert ( Plos one, online).

Um das herauszufinden, haben Wissenschaftler der University of Bristol im Labor verschiedene Arten von Angriffen auf Kolonien der Ameisenart Temnothorax albipennis simuliert. Um dem Staat vorzugaukeln, dass Nestbewohner angegriffen und getötet wurden, entfernten die Forscher einzelne Ameisen von verschiedenen Stellen der Kolonie. Ließen sie Späherameisen verschwinden, die am Rande der Kolonie umherkrabbelten, zogen sich nach kurzer Zeit alle Tiere ins Innere des Nests zurück.

Entfernten die Forscher dagegen Ameisen aus dem Zentrum, löste das die höchste Alarmstufe aus. Die gesamte Kolonie floh und suchte sich anderswo eine neue Bleibe. Die Wissenschaftler sehen in diesem Verhalten Parallelen zur Reaktion von Tieren oder Menschen auf Verletzungen, die ebenfalls unterschiedlich ausfalle, je nachdem, welcher Teil des Körpers betroffen ist. Der Verlust von Ameisen aus der Peripherie der Kolonie entspreche dabei in etwa einer Situation, in der sich ein Mensch die Hand an einer heißen Herdplatte verbrennt.

Charakteristisch für einen Superorganismus ist, dass er Leistungen vollbringt, zu denen ein einzelnes seiner Mitglieder nie im Stande wäre und Lösungen für komplexe Probleme findet. Im Ameisen-Superorganismus entsprechen die Arbeiterinnen den Körperzellen. Wie Muskel-, Gehirn-, oder Lungenzellen sind sie auf verschiedene Aufgaben spezialisiert. Die Königin ist dagegen der Eierstock - zuständig für die Produktion von Nachkommen. Grundvoraussetzung für das Funktionieren dieses Wesens ist die Selbstaufgabe der einzelnen Tiere: etwa der Arbeiterin, die sich um die Brut der Königin kümmert und dabei auf eigene Nachkommen verzichtet.

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Quelle:
SZ vom 12.11.2015
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