Süddeutsche Zeitung

Ägyptologie:Pharaos Hinterzimmer

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Von Paul-Anton Krüger

Ägyptens Minister für Altertümer hat ein gutes Gespür für Dramaturgie. Mamdouh el-Damaty bat am Donnerstag in sein Ministerium, um mitzuteilen, was die neusten Untersuchungen im Grab des Kinderpharaos Tutenchamun im Tal der Könige ergeben haben. Die große Frage, ob dort vielleicht doch auch Nofretete bestattet wurde, wird er zwar so schnell nicht lüften können. Den Appetit der Welt auf die womöglich größte archäologische Sensation in Ägypten seit Entdeckung von Tuts Grab im Jahr 1922 durch Howard Carter füttert er aber regelmäßig mit neuen Häppchen.

Der Forschungsprozess, angestoßen von dem britischen Ägyptologen Nicholas Reeves, soll transparent sein, was nicht eben dem Wesen der ägyptischen Bürokratie entspricht. Zudem steht in Kairo die nächste Kabinettsumbildung bevor. Es schadet also nicht zu zeigen, dass das Ministerium arbeitet und Erfolge vorzuweisen hat. Nun also berichtete el-Damaty über eine detaillierte Auswertung von Radardaten, die der Japaner Hirokatsu Watanabe im November in dem Grab aufgezeichnet hatte.

Der Konjunktiv ist weiterhin angebracht

Sie bestätigen den bisherigen Befund, dass es hinter der nördlichen und der westlichen Wand der Grabkammer Hohlräume gibt. Reeves und auch el-Damaty werten das als starke Hinweise, dass dort weitere Räume existieren, die seit mehr als 3000 Jahren unberührt geblieben sind. Die neuen Daten geben dieser Hoffnung neue Nahrung: Sie lassen vermuten, dass hinter beiden Wänden nicht nur Luft verborgen ist, sondern Objekte aus organischem Material sowie hinter dem vermuteten Durchgang in der östlichen Hälfte der Nordwand auch Metallgegenstände.

Der Konjunktiv ist weiterhin angebracht. Wie bei allen nichtinvasiven bildgebenden Verfahren beruhen die Vermutungen auf einer Interpretation der Daten. Sie fußt auf Vergleichsmessungen und speist sich aus der langjährigen Erfahrung Watanabes, der schon vor mehr als 15 Jahren zusammen mit Reeves im Tal der Könige mit Bodenradar unbekannte Gräber gesucht hatte.

Beim Bau der Gräber wurde kein Metall verwendet

Allerdings ist auch die Geologie der Kalksteinfelsen im Tal nicht im Detail bekannt. Natürliche Artefakte oder andere Ursachen könnten die Abweichungen erklären. El-Damaty ließ sich zu keinerlei Aussage hinreißen, welcher Art die Gegenstände sein könnten. Klar ist jedoch, dass beim Bau der Gräber kein Metall verwendet wurde außer die eingesetzten Werkzeuge. Sowohl Metalle als auch Leder und Holz zählen aber zu den Werkstoffen, aus denen Grabbeigaben gefertigt wurden.

Eine Möglichkeit wäre nun, mit einer Kamerasonde in den Hohlraum hinter der Nordwand vorzudringen, etwa von der östlich neben der Grabkammer liegenden Schatzkammer aus. Doch zuvor sollen weitere Messungen mit einem modifizierten Radar Aufschluss geben über die Stärke der Wände, mit denen die ominösen Hohlräume verschlossen wurden - und auch über die Dimensionen der vermuteten Kammern. Erst dann soll ein neu gebildetes Komitee aus Wissenschaftlern über das weitere Vorgehen entscheiden.

Reeves vermutet, dass sich hinter der Nordwand ein Gang verbirgt, der zu weiteren Kammern führen könnte. Er stützt sich auf die aus der Epoche bekannten architektonischen Muster; Korridorgräber waren damals üblich. Die Geometrie würde in diesem Fall zum Grab einer Frau passen - einer Königin womöglich. Das Grab der Nofretete ist bislang nicht gefunden worden. Die abweichende Architektur des Grabes des Tutenchamun wurde lange damit erklärt, dass er im Alter von nur etwa 18 bis 20 Jahren starb und sein Grab noch nicht fertig war. Reeves hielt diese Erklärung für zweifelhaft.

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SZ vom 18.03.2016
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