Süddeutsche Zeitung

Ägypten:Enttäuschung im Tal der Könige

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Von Paul-Anton Krüger

Es hätte die größte Sensation der Ägyptologie seit Entdeckung des unversehrten Grabes des legendären Kinderpharaos Tutenchamun durch Howard Carter im Jahr 1922 werden können. Doch nun ist klar: Das Grab enthält keine unentdeckten Gänge oder Kammern - und schon gar nicht liegt Nofretete dort begraben. Das hat eine neue Untersuchung mit Radar im Tal der Könige unter der Leitung von Francesco Porcelli von der Polytechnischen Universität Turin ergeben. Die Ergebnisse teilten die Wissenschaftler am Sonntag dem ägyptischen Ministerium für Altertümer mit und erläuterten sie anschließend auf einer Konferenz in Kairo. "Unsere Arbeit zeigt eindeutig, dass es keine verborgenen Kammern, keine Gänge gibt, die an Tutenchamuns Grab angrenzen", sagte Porcelli.

Eine entsprechende Theorie hatte der britische Ägyptologe Nicholas Reeves im Jahr 2015 veröffentlicht. Er stützte sich auf die Untersuchung hochauflösender Fotografien der Wände der Grabkammer und auf dreidimensionale Oberflächenscans mittels Laser. Darin machte er Unregelmäßigkeiten ausfindig, die er als Hinweise auf die Existenz von nachträglich eingezogenen Trennwänden und auf von Menschen verschlossene Durchgänge wertete. Eine erste Serie von Radarscans durch den mit Reeves kooperierenden japanischen Radartechniker Hirokatsu Watanabe erhärtete die Theorie. Nach Auswertung seiner Messdaten sprach Watanabe von Hohlräumen hinter zwei Wänden, in denen er Objekte aus organischem Material geortet habe.

Allerdings kam schnell Kritik an diesen Ergebnissen auf; sie beruhten auf von Watanabe entwickelten Rechenmodellen, die für andere Wissenschaftler nicht nachvollziehbar waren. Dennoch stellte sich der ehemalige Antikenminister Mamdouh el-Damaty hinter die Theorie und sagte, er gehe mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit davon aus, dass es in dem Grab verborgene Räume gebe. Führende Ägyptologen meldeten Zweifel an Reeves' Thesen an, vor allem an seiner Ansicht, ursprünglich sei Nofretete in dem Grab beigesetzt worden. Ihre Grabstätte ist bis heute nicht gefunden, die große Mehrheit der Ägyptologen vermutet sie aber nicht im Tal der Könige.

Eine zweite Serie von Radarmessungen, die ein Team der US-Zeitschrift National Geographic vornahm, brachte statt der erhofften Bestätigung massive Zweifel an Watanabes Ergebnissen: Von vier Wissenschaftlern, denen die Messdaten zur Verfügung gestellt wurden, schlossen zwei aus, dass es Hohlräume in dem Grab gebe, zwei weitere äußerten sich weniger definitiv. Um die Frage beizulegen, wurde eine dritte Untersuchung beschlossen, deren Daten aus dem Februar 2018 nun nach Porcellis Worten "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit" ergeben haben, dass in dem Grab Tutenchamuns keine unbekannten angrenzenden Hohlräume oder Durchgänge existieren.

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Quelle:
SZ vom 08.05.2018
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