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Zwischen den Zahlen:Kuh mit Brille

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Damit es auch im Winter mehr Milch gibt, lassen russische Bauern ihr Vieh in virtuelle Welten eintauchen. Den Kühen werden Virtual-Reality-Brillen aufgesetzt, die ihnen digitale Bilder von saftigen, grünen Weideflächen vorspielen. Das soll der Milchindustrie helfen.

Von Sibylle Haas

Eine Kuh alleine ist noch keine Milchkuh. Die Alten Ägypter verehrten die Kuh als nahrungsspendend, bei den Hindus ist sie heilig, die Israeliten tanzten um ein goldenes Kalb. In Spanien werden Stiere bestens ernährt, bevor sie den Heldentod in der Arena sterben und ihr Fleisch teuer in den Metzgereien verkauft wird.

Für ihre Kühe haben sich russische Bauern jetzt etwas Feines ausgedacht. Damit die Tiere im kalten Winter ebenso viel Milch geben wie im Sommer, werden ihnen digitale Bilder von saftigen grünen Weideflächen vorgespielt. Dazu werden Virtual-Reality-Brillen (VR) an die Kopfform der Kühe angepasst. Mit VR-Brillen können normalerweise Menschen in virtuelle Realitäten eintauchen, sich als Kämpfer im Weltall fühlen oder über Berge und Seen fliegen.

Nun also sollen die Brillen auch Kühe beflügeln. Die russische Milchindustrie sucht schon seit längerem nach Methoden, um die Milchproduktion zu steigern. Denn seit dem russischen Einfuhrverbot einiger EU-Lebensmittel ist das Angebot an Milchprodukten in Russland eingebrochen. Nun sollen die bebrillten Kühe das Land aus dieser Misere führen. Ein Prototyp der VR-Brillen werde, so das Landwirtschaftsministerium, bereits auf einem Bauernhof in der Nähe Moskaus getestet - die Tests seien durchaus erfolgreich: Die Tiere seien weniger ängstlich, sie seien entspannter und die Herde insgesamt sei friedlicher. Einige Betriebe setzen sogar auf Musik, um die Milchproduktion anzukurbeln. Vielleicht klappt das ja, denn Tierpsychologen wollen herausgefunden haben, dass gerade Mozart, Bach und Händel Tiere beruhigt, während sie Hardrock nervös macht. Klassik streichelt also auch Tierseelen. Eine Kuh ist in Russland dann also bald zu jeder Jahreszeit eine Milchkuh, begleitet von einem kräftigen Halleluja.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2019
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