Süddeutsche Zeitung

Zwischen den Zahlen:Ein Hoch auf den Mittagsschlaf im Büro!

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Warum eine ausgeruhte Siesta nicht nur etwas für Rentner, Kleinkinder und übernächtigte Nachtklubbesitzer sein muss.

Von Angelika Slavik

Bon Jovi, große Helden von, nun ja, vorgestern, haben mal ein Lied gesungen mit dem schönen Titel "I'll sleep when I'm dead", ich werde schlafen, wenn ich tot bin. Das ist toll, passt aber natürlich nicht mehr so richtig ins Jahr 2016. Heute müsste es heißen: Ich schlafe, wenn ich bei der Arbeit bin.

Die Arbeitnehmergeneration von heute sei ja eine Truppe übermüdeter Zombies, so kann man es immer wieder nachlesen. Wer eine Nacht lang nicht geschlafen hat, sei es, weil er Babys betüdelt, Lebenskrisen zelebriert oder Arbeit nachgeholt hat, hat am nächsten Tag angeblich ein ähnliches Urteilsvermögen wie mit einem Promille Alkohol im Blut.

Gut, der eine oder andere braucht dafür weder eine durchwachte noch eine durchzechte Nacht. Aber für die anderen lohnt sich der Blick ins Ausland. In Japan zum Beispiel soll es ja sogar als schicklich gelten, wenn man während der Arbeitszeit das müde Haupt auf die Tastatur sinken lässt: Wer direkt am Schreibtisch einschläft, müsse sich ja wohl bei der Arbeit stark verausgabt haben, nicht wahr? Auch in den USA richten Unternehmen immer häufiger Schlafkabinen ein, in denen der gestresste Mitarbeiter beim Power Nap neue Energie tanken kann.

Nach Mittagspause würde ein bundesweiter Alarmton erklingen

Da ist es doch bedauerlich, dass sich dieser Trend in Deutschland noch nicht durchgesetzt hat. Man stelle sich die Bilder vor: Die Bundesrepublik, dieser Inbegriff von Fleiß, Disziplin und Produktivität, versinkt mittags in eine kollektive Siesta. Beim deutschen Weltkonzern für besonders saubere Dieselmotoren stünden die Bänder ebenso still wie beim mittelständischen Weltmarktführer für Dichtungsringe Typ 3b, über der Nation breitete sich Stille aus.

Deutschland würde einmal tief Atem holen. Dann würde, selbstverständlich, eine Art bundesweiter Alarmton erklingen, und nach 20 Minuten wäre der Spuk vorbei und man arbeitete wieder, emsig und erfrischt, um das Land voranzubringen. Wäre das nicht herrlich?

Allerdings drängt sich der Verdacht auf, dass es irgendwo in Deutschland schon so etwas wie eine Subkultur der Schlafenden geben muss. Denn in einer Umfrage sagten kürzlich 14 Prozent der Befragten, sie könnten auf gar keinen Fall auf ihren Mittagsschlaf verzichten. Natürlich könnte es jetzt sein, dass diese 14 Prozent ausschließlich Rentner, Kleinkinder und, sagen wir, Nachtklubbesitzer sind. Aber wenn der Kollege aus dem Büro nebenan das nächste Mal mittags etwas von "Telefonkonferenz" nuschelt und dann hinter sich die Tür verschließt, werden wir leise flüstern: "Süße Träume."

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Quelle:
SZ vom 03.09.2016
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