Süddeutsche Zeitung

Zwischen den Zahlen:Casual Chaos

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Viele Banken sind jetzt richtig hip und lockern ihren Dresscode - also ein bisschen. Denn ohne Krawatte wird es auch nicht einfacher.

Von Veronika Wulf

Immer mehr Banken wagen den großen Schritt, der gern mit "Kundennähe", "Augenhöhe" und "Zeitgeist" begründet wird: Sie schaffen die Krawattenpflicht ab. Die Hamburger Sparkasse war vor drei Jahren mit ihrem Dresscode "Haspa Business Casual", der nicht mehr zwingend Anzug und Kostüm umfasste, Vorreiter. Viele Sparkassen zogen nach, etwa die Nassauische, die im Frühjahr ihre Kleiderordnung lockerte - also außer Montags und Donnerstags, da ist "Naspa-Day", an dem Business-Look mit Naspa-Krawatte und -Tuch gilt. Und Sneakers und Minirock bleiben auch verboten. Aber sonst können sich die Bankangestellten stilistisch völlig frei austoben.

Leider sind die Erklärungen zu den neuen Kleiderregeln oft konservativer als jede Krawatte. So heißt das flotte Motto der VR-Bank Ellwangen, mit dem sie offenbar die jungen Leute von heute begeistern will: "Es geht auch mehr als oben ohne". Höhö, knorke! Damit man den Ulk auch versteht und den Satz nicht gar wörtlich nimmt, bildet die Bank 13 Outfits auf ihrer Website ab und erklärt: "Um zerrissene Jeans und kunterbunte T-Shirts geht es dabei nicht." Natürlich, wo käme man da hin. Schließlich geht es um einen "modernen, gepflegten Freizeitlook".

Auch die Sparkasse will löchrigen Hosen vorbeugen und hat sicherheitshalber einen Business-Knigge für Azubis auf ihre Homepage gestellt, in dem sie nicht nur erklärt, dass in der Bank "ein anderer Dresscode als in der Schule" gilt, sondern auch, "dass bei der Sparkasse sehr viele nette, normale und engagierte Menschen arbeiten", (bemerkenswert: die Betonung des "normal", als ginge es um eine Ausbildung im Puff oder bei den Zeugen Jehovas). In den Tipps steht - zusammengefasst - dass man sich an den Kollegen orientieren soll (vermutlich an den "normalen") und dass zerrissene Jeans und Flipflops bei Männern sowie Miniröcke und durchsichtige Oberteile bei Frauen "absolute No-Gos" sind. Wie es sich umgekehrt verhält, steht dort leider nicht.

Auch hier soll eine Abbildung die Regeln verdeutlichen: Unter hellblauen Flipflops steht "Don't", unter schwarzen Socken, auf denen Darth Vader abgebildet ist (es könnte allerdings auch ein Walross mit Sonnenbrille oder der Typ aus der "Supergeil"-Werbung sein), steht "Do". Noch Fragen? Ach ja, auch im Sommer sollte man "lieber eine leichte, lange Stoffhose tragen als Shorts." Ok, danke.

Fehlt die Krawatte, ist die entscheidende Frage jedoch: oberster Hemdknopf offen oder zu? Und im Anschluss daran: Wie trägt der moderne, gepflegte Banker sein Brusthaar?

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Quelle:
SZ vom 09.11.2019
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