Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftsprognose:Dauerflaute

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Die OECD erwartet für 2020 noch weniger Wachstum, weltweit seien die Aussichten so schlecht wie seit 2008 nicht mehr.

Von Alexander Hagelüken, München

Kein Aufschwung in Sicht: Die deutsche Wirtschaft wächst nächstes Jahr noch schwächer als dieses, erwartet die Organisation OECD. Auch danach verbessert sich die Lage kaum. Die Pariser Denkfabrik der Industriestaaten ruft die Bundesrepublik und andere Länder deshalb auf, mehr staatliches Geld auszugeben, um das Wachstum zu stärken.

Deutschen Unternehmen machen vor allem der von US-Präsident Donald Trump losgetretene Handelsstreit und die Unsicherheit beim Brexit zu schaffen. Beides könnte den Abschwung verstärken. Ein Hoffnungsschimmer: "Der private Konsum und die Bauwirtschaft werden voraussichtlich robust bleiben, die Schwäche in der Industrie wird jedoch auf den Rest der Volkswirtschaft abfärben", schreiben die Pariser Ökonomen. Durch den Fachkräftemangel und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten bleibt Deutschland demnach aber erspart, dass sich der Arbeitsmarkt stark verschlechtert.

Die Organisation korrigiert ihre Prognose für 2020 nach unten. Nach 1,5 Prozent 2018 und 0,6 Prozent in diesem Jahr steige die Wirtschaftsleistung nächstes Jahr nur um 0,4 Prozent. Damit fällt die Prognose der OECD wie bereits vor Kurzem die der Wirtschaftsweisen skeptischer aus als andere. So gehen der Internationale Währungsfonds IWF oder die EU-Kommission von höherem Wachstum aus. Auch für 2021 sagt die OECD keine echte Besserung voraus: Das Bruttoinlandsprodukt wachse nur um 0,9 Prozent - deutlich weniger als im Schnitt der vergangenen zehn Jahre.

Die maue Wirtschaftslage macht sich global bemerkbar. So expandiert die Weltwirtschaft laut OECD 2019 bis 2021 jeweils nur um etwa drei Prozent, eine dramatische Flaute: "Das ist die schwächste Wachstumsrate seit der weltweiten Finanzkrise 2008." Noch vor einem Jahr lag die Schätzung für 2020 bei 3,5 Prozent Zuwachs.

Die größte Sorge der OECD ist, dass sich die Aussichten wegen unbewältigter Grundsatzprobleme verschlechtern: "Klimawandel und Digitalisierung führen zu kontinuierlichen Veränderungen. Zudem zeichnet sich in Handel und Geopolitik eine Abkehr von der multilateralen Ordnung der 1990er-Jahre ab." Ein deutlicher Hinweis auf die aggressive Politik von US-Präsident Trump, aber auch auf Konfrontationen im Nahen Osten, Russland und Asien.

Die Pariser Forscher kritisieren mangelndes staatliches Handeln. Die Zentralbanken hätten die Geldpolitik gelockert, so die Folgen der Handelsspannungen teils ausgeglichen und eine weitere Verschlechterung der Wirtschaftsaussichten verhindert. Zugleich hätten sie damit Strukturreformen und Investitionen etwa in Digitalisierung und Klimaschutz zur Erhöhung des langfristigen Wachstums ermöglicht. "Außer in einigen wenigen Ländern ist die Fiskalpolitik bislang jedoch nur leicht konjunkturstützend ausgerichtet, wobei der Schwerpunkt nicht unbedingt auf den Investitionen liegt", kritisiert die OECD.

Die Bundesrepublik betreibe durchaus expansive Fiskalpolitik - durch Steuerfreibeträge, mehr Kindergeld und steigende Renten. 2021 werde die Konjunktur durch eine weitere Anhebung des Kindergeldes und die Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags etwas angekurbelt. Doch die Bundesregierung könne noch mehr ausgeben. Da Investitionen in die Infrastruktur erforderlich seien und die Konjunktur nachlasse, sollten die im Rahmen der Schuldenbremse zulässigen Spielräume genutzt werden. Auch Organisationen wie der IWF und manche deutsche Ökonomen fordern mehr Investitionen. Einen solchen Appell richteten jüngst in einer ungewöhnlichen Allianz auch der Bundesverband der deutschen Industrie und die Gewerkschaften gemeinsam an die Politik.

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SZ vom 22.11.2019
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