Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftsentwicklung in den neuen Bundesländern:1000 Milliarden Euro für den Osten

Lesezeit: 2 Min.

Neue Geldforderungen für Ostdeutschland: Auch 22 Jahre nach der Wiedervereinigung sind laut einer Studie die Lebensverhältnisse in Ost und West noch immer nicht ausreichend aneinander angeglichen. Dafür seien bis zum Jahr 2030 zusätzliche 1000 Milliarden Euro notwendig.

Christiane Kohl

Auch 22 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung sind die Chancen und Lebensverhältnisse in Ost und West noch immer nicht komplett einander angeglichen. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Thüringischen Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie der Unternehmensberatung Roland Berger, die an diesem Dienstag vorgestellt werden soll. Dem Gutachten zufolge liegt trotz einer "rasanten Wirtschaftsentwicklung" im Osten Deutschlands die Kapitalausstattung in den neuen Bundesländern noch immer weit unter Westniveau.

Um diese "Kapitallücke" in Ostdeutschland zu schließen, seien bis zum Jahr 2030 zusätzliche Investitionen in Höhe von rund 1000 Milliarden Euro notwendig, heißt es in dem Berger-Papier. Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) fordert daher ein neues Konzept "Zukunft Ost" mit Strategien für die Entwicklung Ostdeutschlands.

Von 1990 bis 2010 wurden rund 1,4 Billionen Euro an Netto-Transferleistungen nach Ostdeutschland geschafft, ein Großteil des Geldes - etwa 70 Prozent - wurde in Sozialausgaben gesteckt. Nach den Planungen im Rahmen der Solidarpakte soll die Förderung Zug um Zug zurückgefahren werden. So dürfte nach heutigem Stand beispielsweise die spezielle Investitionszulage für den Osten in 2013 auslaufen.

Dies mag ein Hintergrund sein für den Ruf nach neuen Konzepten. Dabei soll es nicht vordringlich um öffentliche Leistungen gehen, vielmehr sollten stärkere Anstrengungen unternommen werden, um private Investitionen zu initiieren: "Es bedarf neuer Impulse als Basis einer leistungsfähigen Wirtschaft", heißt es in der Studie, denn die aktuelle Wirtschaftskraft reiche noch nicht aus, "um einheitliche Lebensverhältnisse zu gewährleisten und einen selbsttragenden Aufholprozess in Gang zu halten".

Die Kapitalausstattung in Ostdeutschland hatte 1990 bei etwa einem Drittel des Westniveaus gelegen, in 2005 waren gut 80 Prozent erreicht. Seither habe sich der Aufholprozess jedoch verlangsamt, meinen die Experten. So liege die Investitionsquote derzeit nur noch um ein Prozent über dem Westniveau. Immerhin sank die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland vielerorts inzwischen auf den Stand vieler Westregionen, so liegt Thüringen mit rund acht Prozent derzeit gleichauf mit Nordrhein-Westfalen.

Allerdings spiegele sich die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt "nur begrenzt in den Einkommen". Denn diese würden immer noch nur 80 Prozent der West-Einkünfte ausmachen. In der Studie werden die ostdeutschen Länder aufgefordert, weiterhin Transfergelder aus dem Westen einzufordern: "Wachstumsorientierte finanzielle Unterstützung für den Osten rechnet sich", heißt es in der Studie. Die Aufholjagd könne nur erfolgreich sein, wenn im Osten bis 2030 jährlich etwa zwei Prozent mehr investiert werde als im Westen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen für 0,99 € zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1457979
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 04.09.2012
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.