Süddeutsche Zeitung

Wirecard:Aussage gegen Aussage

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Der Finanzdienstleister dementiert die jüngsten Betrugsvorwürfe. Die Finanzaufsicht prüft eine mögliche Marktmanipulation.

Von Jan Willmroth und Nils Wischmeyer, Frankfurt

Am Tag nach dem Absturz hat der Konzern noch etwas mehr zu sagen, und die Nervosität ist deutlich zu spüren. "Ungenau, irreführend und diffamierend", diese Worte wiederholte Wirecard am Donnerstagmorgen mehrfach. Gemeint war damit ein Bericht der britischen Financial Times (FT), in dem die Rede ist von Unregelmäßigkeiten bei Geschäften des Aschheimer Zahlungsdienstleisters in Singapur und Indien, von fingierten Rechnungen und einem möglichen Geldwäscheverdacht. Zwischenzeitlich hatte das Unternehmen am Mittwochnachmittag fast ein Viertel seines Werts verloren. Wieder einmal ist der Kurs nach einem kritischen Bericht abgestürzt, wieder einmal stieg er tags darauf wieder leicht. Und wieder einmal prüft die Finanzaufsicht Bafin einen Verdacht auf Marktmanipulation.

In einer schriftlichen Stellungnahme griff Wirecard einen der beiden FT-Reporter persönlich an, warf ihm vor, "falsche Informationen verwendet" und auch in der Vergangenheit bereits irreführende Artikel veröffentlicht zu haben. Zugleich verwies der Konzern auf seine strengen Vorgaben, nach denen er Geschäftsabläufe prüfe - ohne auf die konkreten Vorwürfe zu reagieren, die laut FT aus einer internen Präsentation für den Vorstand des Dax-Unternehmens und weiteren Dokumenten hervorgehen. Auf die erste Stellungnahme folgte rasch eine zweite, etwas anders formuliert, mit der Bitte, man möge nur diese verwenden. Die Nerven liegen blank.

Inzwischen prüft die Finanzaufsicht Bafin auffällige Transaktionen mit der Wirecard-Aktie vor Veröffentlichung des Artikels. Bei derart deutlichen Kursausschlägen ist das Routine. Gerade bei Wirecard aber hatten in der Vergangenheit Investoren von ähnlichen Kursabstürzen nach kritischen Veröffentlichungen profitiert, die erst geliehene Aktien verkauft hatten und diese dann billiger zurückkaufen konnten, um die Papiere schließlich an ihre Inhaber zurückzugeben. Diese so genannten Leerverkäufe sind zwar legal und an der Börse üblich. Wegen früherer Anschuldigungen prüfen nun Münchner Staatsanwälte Ermittlungen wegen Marktmanipulation. Vor einigen Jahren wurden deswegen Führungskräfte der Aktionärsvereinigung SdK verurteilt. Gegen den Herausgeber eines Börsenbriefs ist in München ein Strafbefehlsverfahren anhängig.

Die Wirecard-Investoren, von denen viele in den vergangenen Jahren hohe Renditen eingefahren und vom Aufstieg des Unternehmens in den Dax profitiert haben, kennen das Spiel also: Zuerst gibt es Vorwürfe gegen das komplex strukturierte Unternehmen, dessen Geschäft im elektronischen Zahlungsverkehr schwer zu durchschauen ist. Daraufhin stürzt der Aktienkurs ab, erholt sich aber schnell wieder, und Wirecard streitet alles ab. Keiner der Betrugsvorwürfe ließ sich bislang beweisen. Das aber muss nicht für immer so sein.

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Quelle:
SZ vom 01.02.2019
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