Süddeutsche Zeitung

Vorsicht:Wenn die Vernunft versagt

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Wie Kunden sich gegen Plagiate schützen können. Denn falsche Produkte können gefährlich sein.

Von Katharina Kutsche, München

Ein Standardbeispiel für erfolgreiche Produktpiraterie ist die gefälschte Louis Vuitton-Handtasche, gekauft am Strand von Antalya. Im Urlaub seien die Menschen eher in der Laune, ein Schnäppchen zu machen, sagt Volker Bartels: "In den meisten Fällen ist den Menschen klar, dass es kein Original ist, was sie da kaufen." Bartels ist Vorsitzender des Aktionskreises gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM). Der Verein ist eine Initiative des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und des Markenverbandes. Über die Jahre sei das Bewusstsein für Piraterie durchaus gestiegen. Aber: "In vielen Fällen gewinnt die Vernunft, in vielen Fällen aber auch nicht. Dann kommt die große Enttäuschung hinterher, dass die Produkte nicht lange halten oder sogar gesundheitsgefährdend sind."

Meist seien die Verbraucher von einem günstigen Preis getrieben. Das gelte besonders bei hochpreisigen und begehrten Produkten, Modeartikeln etwa, die angesagt sind und bei denen man im Freundeskreis mithalten kann.

Strafbar machen sich die Konsumenten nur, wenn sie gewerbsmäßig handeln, also Fälschungen kaufen und dann weiterverkaufen. Für den privaten Gebrauch nimmt es der Staat hin, wenn Kunden falsche Ware bestellen. Letztere haben aber auch nicht immer Freude an ihrem Neuerwerb. Auf dem Markt sind Weine mit falschem Etikett, Zigaretten mit unklarem Inhalt, Kleidung, die Hautreizungen verursacht, schadstoffbehaftetes Spielzeug, minderwertige Bremsscheiben, die brechen, wenn sie beansprucht werden. Viele der Produkte können lebensgefährlich sein.

Der APM appelliert daher an die Industrie, aufzuklären. Viele Hersteller befürchten einen Imageschaden oder dass Kunden zum Wettbewerber abwandern - aber dort könnten sie genauso betrogen werden. Bartels empfiehlt, den Konsumenten zu zeigen, wie sie falsche Ware identifizieren können. Und zuzugeben, wenn Fälschungen ihrer Produkte auf dem Markt sind, denn: "Jeder Kunde, der das nicht weiß, wird die schlechte Qualität der Marke zuschreiben."

Wie kann man sich da als Kunde schützen? "Da hilft ein gerüttelt' Maß an Reflektion: Hat das, was ich da kaufe, einen vernünftigen Preis?", so Bartels. Bei Markenprodukten könne man prüfen, ob der Händler als autorisierter Händler gelistet ist. Auch die Verpackung gibt Hinweise: Ist das Druckbild von hoher Qualität oder verwischt? Und beim Produkt: Sind da Klebstoffreste oder Schweißnähte nicht sauber abgestanzt? Ist gar der Markenname falsch geschrieben? Im Zweifel sollten Kunden beim Originalhersteller nachfragen.

Im Internet ist wichtig, das Impressum auf der Webseite zu prüfen, etwa ob der Verkäufer namentlich genannt ist und eine nachvollziehbare Adresse angibt. Wenn die Anschrift oder der Firmensitz ein anonymes Gebilde außerhalb Europas ist, sei Vorsicht geboten. Auch wenn die vermeintlich echten Produkte über soziale Medien beworben werden, können sich Verbraucher nicht darauf verlassen, dass seriöse Anbieter dahinterstehen.

Stellt man fest, einer Fälschung aufgesessen zu sein, rät der APM dazu, das Produkt zurückzugeben und sein Geld zurückzufordern. So merken die Täter, dass sie nicht mit allem durchkommen. Generell müssten Kunden kritisch und vor allem selbstkritisch darauf schauen, was sie online, stationär oder am Strand des Urlaubsortes erstehen, sagt Bartels. "Fälschungen werden dann verkauft, wenn es einen Markt für Fälschungen gibt. Der Verbraucher hat da eine Macht, die er nicht ausspielt."

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SZ vom 24.07.2020
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