Süddeutsche Zeitung

Versicherungen:Der Krieg könnte die Versicherer teuer zu stehen kommen

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Falls Russland Leasing-Flugzeuge nicht an die Besitzer zurückgibt, führt das zu hohen versicherten Schäden. Auch die Inflation belastet die Branche.

Von Christian Bellmann, Anne-Christin Gröger und Friederike Krieger

Die Versicherer haben die Corona-Pandemie vergleichsweise gut überstanden, doch aufatmen können sie nicht. Der Krieg in der Ukraine wird noch bedeutende Auswirkungen auf die Branche haben, und er könnte für die Anbieter gefährlich werden: Zum einen wird es hohe versicherte Schäden geben, etwa weil Russland Leasing-Flugzeuge nicht an ihre Besitzer zurückgibt. Sehr viel stärker könnten die Gesellschaften aber von der durch den Krieg steigenden Inflation getroffen werden, die alle Schäden verteuert und sie zwingt, mehr Geld für Schäden zurückzulegen. Auch Turbulenzen an den Kapitalmärkten könnten sie in Mitleidenschaft ziehen. Einige Versicherer mussten schon Abschreibungen auf Staats- und Unternehmensanleihen vornehmen, in die sie investiert sind.

Joachim Wenning, Chef des Rückversicherers Munich Re, gibt zunächst Entwarnung. "Auf der Versicherungsseite, was die Schäden anbelangt, würde ich widersprechen, dass es zu Nachreservierungen kommt, die sich gewaschen haben", sagte er beim Versicherungsdinner der Süddeutschen Zeitung auf Schloss Bensberg in Bergisch-Gladbach. Wegen einer Corona-Infektion war er online zugeschaltet. Nachreservieren, also ihre Reserven erhöhen, müssen Versicherer, wenn die Reserven voraussichtlich nicht ausreichen, langfristige Schäden zum Beispiel für Unfallopfer auch in vielen Jahren noch zu zahlen. Sollte die hohe Inflation aber länger anhalten, könnten die Schaden- und Unfallversicherer zu Nachreservierungen gezwungen sein. Zunächst werden sie die steigenden Schäden noch durch höhere Beitragseinnahmen abfedern können.

Ein paar Apps, ein wenig Robo-Beratung reichen nicht

Um die aktuelle Dauerkrise aus Pandemie, Krieg und Inflation, in der sich die Welt derzeit befindet, meistern zu können, muss die Branche bei der Digitalisierung richtig Gas geben. "Wir müssen resilient sein, und die Digitalisierung ist dafür das Werkzeug, wenn wir es richtig umsetzen", sagte Mark Klein, Chief Digital Officer der Ergo.

Was bisher passiert ist - ein paar Apps, ein bisschen Robo-Beratung, ein bisschen Online-Abschluss - reicht längst nicht mehr, um die Kundenbedürfnisse der Zukunft noch angemessen erfüllen zu können. Diese sind seit der Pandemie noch einmal ordentlich gestiegen. Die Menschen kaufen Lebensmittel und Sportgeräte online, sie streamen Filme und Serien nach Bedarf und sprechen regelmäßig mit Familie und Freunden per Videochat. Alles geht schneller, bequemer, digitaler - da müssen Versicherer mithalten.

"Wir Versicherer stehen im Wettbewerb mit Tech-Unternehmen wie Google und Amazon, daran müssen wir uns messen lassen", sagte Ergo-Manager Klein. Die Menschen hätten sich in der Pandemie an reibungslose digitale Abläufe gewöhnt und forderten diese auch von der Versicherungswirtschaft ein. Die Frage der Kunden: Wenn das bei anderen so einfach geht, warum schafft es mein Versicherer denn nicht?

Mitarbeiter sollen von Standardaufgaben entlastet werden

Auf dem bisher Erreichten darf sich die Branche nicht ausruhen. Es brauche eine permanente Transformation. "Wenn wir aufhören, diese Transformation ernst zu nehmen, fallen wir zurück", sagte er. Er ist davon überzeugt, dass die Branche die Herausforderungen meistern kann. "Wir haben die digitalen Fähigkeiten, das hat der erste Lockdown gezeigt."

Ergo habe es innerhalb kürzester Zeit geschafft, 11 000 Mitarbeiter ins Home-Office zu schicken und dennoch weiter produktiv zu bleiben. Es bleibe aber viel Arbeit: "Wir haben 70 Algorithmen, wir brauchen aber 7000. Wir haben 250 Roboter, wir brauchen aber 1000. Wir haben 5000 automatische Calls pro Tag, wir brauchen aber 10 000", sagte Klein. Damit schaffe der Versicherer Freiraum für seine Mitarbeiter, die von Standardaufgaben entlastet werden können.

So wie es ist, kann es auf jeden Fall nicht bleiben, findet auch Mirjam Bamberger, Strategiechefin bei der Axa. Sie nennt Beispiele aus der Krankenversicherung. "Derzeit ist es so, dass ich online bei einem Arzt einen Termin mache, den in meinen Kalender eintrage, dann eine Stunde beim Arzt sitze und hinterher mit einem Papierrezept zur Apotheke gehe." Das koste den Patienten mehr als zwei Stunden Zeit, das könne viel schneller gehen, und die privaten Krankenversicherer sollten dazu einen Beitrag leisten.

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