Süddeutsche Zeitung

Verwaltungsrat der Arbeitsagentur:Fünf-Sterne-Hotel für die Funktionäre

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Von Alexander Hagelüken, München

Wenn einer länger unterwegs ist, braucht er ein Hotel. Aber wie teuer darf es sein? Sind 225 Euro in Ordnung, wenn es ein Zimmer für 90 Euro gegeben hätte? Die Frage mag zunächst kleinlich erscheinen. Sie gewinnt aber an Bedeutung, weil es um ein Gremium geht, das gerade stark in die Öffentlichkeit rückt: Der mächtige Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit, die Millionen Deutschen neue Arbeitsplätze vermitteln soll.

Die Funktionäre entscheiden an diesem Freitag, ob die erste Frau im Vorstand der deutschen Jobagenturen, Valerie Holsboer, vorzeitig gefeuert wird. Insbesondere die Wirtschaftsvertreter betreiben die Ablösung der Managerin, die sie vor zwei Jahren selbst ausgesucht hatten. Sie werfen ihr Inkompetenz vor. Die Unterstützer der Vorstandsfrau sprechen dagegen von einer Intrige: Der wahre Grund sei, dass sich Holsboer vom zentralen Arbeitgebervertreter Peter Clever nicht so habe steuern lassen, wie er wünschte.

Dorothee Bär, Staatsministerin im Kanzleramt, sprach diese Woche von "verheerenden Signalen für den Umgang mit Menschen nach innen wie nach außen". Der Fall sei ein unrühmliches Beispiel dafür, wie aggressiv neue Ansätze der Mitarbeiterführung von einer alten Garde bekämpft würden.

Just in dem Moment, da der 21-köpfige Verwaltungsrat im öffentlichen Blickpunkt steht, wird nun eine Prüfung seines Reiseverhaltens bekannt. Es geht um Reisen der Vertreter von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Politik. Der Bundesrechnungshof hat sich damit beschäftigt. Er übt in einem Bericht Kritik, die Inhalte werden aus der Behörde im Wesentlichen bestätigt. Die Prüfer nennen keine Namen, aber Zahlen. Demnach bekamen mehrere Mitglieder des Verwaltungsrats 2018 je 242 Euro für die Übernachtung in einem Fünf-Sterne-Hotel erstattet - Rückfragen stellte die Abrechnungsstelle nicht. Der Bericht ist vorläufig, die Behörde wird antworten, erst dann sieht man klarer. Aber deutlich ist der kritische Ton der Rechnungsprüfer. So tauchen in den Abrechnungen Flüge für 50 000 Euro auf, häufiger in der Business Class. Die Erstattung von Businessflügen ohne Einschränkungen gingen über die Empfehlungen der Arbeitgeberverbände und des Gewerkschaftsbundes hinaus, die den Verwaltungsrat dominieren, merken die Prüfer süffisant an. Verwaltungsräte erklären dazu, bei der Agentur gälten andere Regeln.

"Anschein privater Vorteilsnahme"

Die Prüfer merken auch an, die Bundesagentur berücksichtige systematisch unentgeltlich bereitgestellte Verpflegung nicht, wenn sie Tagesgeld abrechne. Die Abrechnungspraxis für Mietwagen mit überwiegend privater Nutzung erzeuge den "Anschein privater Vorteilsnahme".

Eine Vertreterin der Gewerkschaften wies bereits Fehlverhalten zurück. Arbeitgebervertreter Peter Clever erklärte auf Nachfrage unter anderem, seine Abrechnungen unterlägen der Doppelprüfung, ihm seien keine Beanstandungen übermittelt worden. Er achte darauf, dass der Behörde bei Mietwagen geringere Kosten entstünden als mit Taxis. Die Rechnungsprüfer fordern die Behörde auf, zu viel gezahlte Erstattungen zurückzufordern.

Der Verwaltungsrat habe "eine Vorbildfunktion gegenüber den Beschäftigten der Agentur" und eine Verantwortung etwa gegenüber den deutschen Arbeitnehmern - denn die bezahlen die Reisen mit ihren Sozialbeiträgen.

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Quelle:
SZ vom 12.07.2019
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