Süddeutsche Zeitung

Einkommensunterschiede:Kluft zwischen Arm und Reich schrumpft

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Der Boom am Arbeitsmarkt lässt untere Einkommen wachsen, der reichere Teil der Bevölkerung verzeichnet Rückgänge bei den Einkommen aus Vermögen - wegen der Finanzkrise und der historisch niedrigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt. Das Risiko, arm zu werden, ist aber nicht deutlich zurückgegangen.

Thomas Öchsner, Berlin

Die Einkommen in Deutschland sind wieder etwas weniger ungleich verteilt als noch fünf Jahre vorher. Die verfügbaren Einkommen der unteren 40 Prozent der Bevölkerung erhöhten sich 2010 verglichen mit 2009 nach Abzug der Inflation um etwa zwei Prozent, die mittleren und oberen verfügbaren Einkommen blieben in etwa gleich. Das geht aus einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor. "Der jahrelange Trend einer Erhöhung der Einkommensungleichheit scheint gestoppt", sagte Markus Grabka, Mitautor der Studie.

Nach Angaben des DIW liegt dies einerseits am Job-Boom. Der ärmere Teil profitierte von höheren Tariflohnsteigerungen. Außerdem erhöhte sich die Zahl der Erwerbstätigen um 700.000. Das zog die Einkommen des ärmeren Teils der Bevölkerung nach oben. Andererseits verzeichnete der reichere Teil der Bevölkerung Rückgänge bei den Einkommen aus Vermögen, wegen der Finanzkrise und der historisch niedrigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt. Die Analyse beruht auf jährliche Befragungen von mehr als 20.000 Menschen in etwa 11.000 Haushalten.

Für seine Studie hat das DIW das Markteinkommen herangezogen. Dazu zählen neben Löhnen und Gehältern oder Einkünften aus einer selbständigen Tätigkeit, auch Kapitaleinkünfte und staatliche Leistungen. DIW-Experte Grabka sieht deshalb keinen Widerspruch zu Studien, in denen nur das individuelle Bruttoerwerbseinkommen untersucht wird. So verzeichnete der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung große Unterschiede bei der Lohnentwicklung. Sie sei "im oberen Bereich in Deutschland positiv steigend" gewesen. Die unteren 40 Prozent der Vollzeitbeschäftigten hätten jedoch nach Abzug der Inflation Verluste bei der Bezahlung hinnehmen müssen. Zu ähnlichen Ergebnissen war das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gekommen.

Auch die Verteilung des Vermögens spielte bei der neuen DIW-Analyse keine Rolle. Dazu will das Institut womöglich im nächsten Jahr neue Ergebnisse vorlegen. Der Armuts- und Reichtumsbericht hatte auf die "sehr ungleiche Verteilung der Privatvermögen" hingewiesen.

Das DIW legte aber Zahlen zu der Frage vor, wie hoch das Risiko ist, arm zu werden. Hier sehen die Forscher keinen deutlichen Rückgang. 14 Prozent der Menschen in Deutschland sind von Armut bedroht. Sie mussten 2010 mit höchstens 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens der Gesamtbevölkerung auskommen. Das waren damals 990 Euro.

Am höchsten ist das Armutsrisiko für Alleinerziehende und junge Erwachsene. In der Studie heißt es: Der Einstieg in den Arbeitsmarkt erfolge für junge Leute "immer häufiger über sogenannte prekäre Beschäftigungsverhältnisse und schlecht bezahlte Praktika".

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Quelle:
SZ vom 26.10.2012
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