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Unicredit-Chef Federico Ghizzoni:Mit leisen Tönen an die Spitze

Lesezeit: 3 min

Klare Linie, sachliche Analyse: Unicredit-Chef Federico Ghizzoni hat sich bei der europäischsten aller Banken durchgesetzt. Im Rahmen des SZ-Führungstreffens Wirtschaft wird er als europäischer Manager des Jahres ausgezeichnet.

Von Simone Boehringer und Andrea Rexer

Wer zum Abendessen mit Federico Ghizzoni eingeladen ist, sollte früh kommen. Nicht um beim Chef der italienischen Großbank Unicredit Pluspunkte zu sammeln, sondern um einen guten Platz zu ergattern: Denn wer am äußersten Ende der Tafel Platz nimmt, muss die Ohren spitzen, um zu verstehen, was der Italiener mit der sanften Stimme spricht. Anders als sein exaltierter Vorgänger Alessandro Profumo liebt Ghizzoni die großen Auftritte nicht. Er besticht lieber im kleinen Kreis durch sachlich vorgetragene Argumente. Mimik und Gestik beschränkt er auf ein Minimum.

Seine zurückhaltende Art hat schon manchen Mitarbeiter auf eine falsche Fährt gelockt: Unterschätzen sollte man Ghizzoni nicht, er weiß Strippen zu ziehen. Geräuschlos. Seine eigene Bank kennt der 58-Jährige in jeder Facette. Begonnen hat der Jurist seine Karriere in einer Filiale seiner Heimatstadt Piacenza. Damals hieß die Bank noch Credito Italiano, sie ging später in Unicredit auf. 1990 wurde er nach London geschickt, lernte das Investmentbanking kennen, zog dann weiter nach Singapur und später in die Türkei.

2007 übernahm er dann eine Aufgabe, die innerhalb der Unicredit-Gruppe von großer Bedeutung ist: Er leitete von Wien aus das Osteuropa-Geschäft der Bank. Damit lieferte er grob geschätzt ein Viertel der Erträge und die Hälfte des Gewinns. Unicredit ist seit der Fusion mit der Münchner Hypo-Vereinsbank (HVB) und der Wiener Bank Austria die wohl europäischste Bank des Kontinents und vor allem in verschiedenen Ländern Osteuropas Marktführer. Ihre Filialen reichen von Polen bis in die Ukraine, Unicredit zählt rund 40 Millionen Kunden.

Auch wenn er als Osteuropa-Chef eine hervorgehobene Position hatte, vorgezeichnet war es sicherlich nicht, dass Ghizzoni im September 2010 Profumo an der Spitze des Instituts ablöste. Aber er hatte sich bei den italienischen Sparkassen durchgesetzt, die Sparkassenstiftungen dominieren noch immer den Aufsichtsrat des Instituts, wenn ihnen auch nicht mehr die Mehrheit der Anteile gehört.

Nicht Expansion, sondern Konsolidierung hieß die Losung. Ghizzoni erfüllte diesen Auftrag: Er straffte die Bilanz, die Mitarbeiterzahl sank um rund 20 000 auf zuletzt 148 000. Aufwärts ging es hingegen bei der Kapitalausstattung. Hier bewies Ghizzoni eine ruhige Hand: Anfang 2012, als die Finanzmärkte wegen der Euro-Schuldenkrise unruhig waren, zog Unicredit eine Kapitalerhöhung durch - zu einem Zeitpunkt, an dem andere Banker einen solchen Schritt für völlig unmöglich erklärt hatten. Das Experiment gelang. Die Kapitalquote stieg von 8,6 auf zuletzt 11,7 Prozent. Ein Wert, der sich sehen lassen kann, der allerdings auch maßgeblich zustande kam durch externe Hilfe: So erwiesen sich die Tochterinstitute HVB und Bank Austria während der Amtszeit Ghizzonis als wesentliche Stützen der Gruppe.

Allein die HVB überwies binnen vier Jahren 6,4 Milliarden Euro nach Mailand - und meldete dennoch zuletzt eine beeindruckende Eigenkapitalquote von 20,7 Prozent. Während der Gewinn der Mailänder ob der anhaltenden Rezession in Italien im dritten Quartal nochmals einbrach und das Institut damit auf Neunmonatssicht um fast ein Drittel unter dem Ergebnis des Vorjahres blieb, meldeten die Münchner in allen Geschäftsbereichen einen Gewinn und haben das Ergebnisziel von 1,6 Milliarden Euro vor Steuern bereits per Ende September fast erreicht.

Ghizzoni kann der Erfolg der Töchter mehr als recht sein, denn sein Bankkonzern und damit auch die Unicredit-Aktie profitieren. Seit Anfang des Jahres zog der Kurs um gut ein Drittel an. Zwar hat sich HVB-Chef Theodor Weimer zuletzt geweigert, weitere Milliarden am Jahresende an die Mutter zu überweisen. Aber Ghizzoni ist schlau genug, die HVB nicht ganz aus ihren Pflichten zu entlassen. Ein Börsengang der lukrativen Deutschland-Tochter sei keine Option, auch über eine Platzierung von Minderheitsanteilen werde nicht diskutiert, so das Machtwort aus Mailand. Ein Börsengang bringt dem Unicredit-Chef nur einmal Geld, das Festhalten an der hundertprozentigen Tochter aus München könnte ihm womöglich noch länger reichen Segen bescheren.

Für Unruhe in Deutschland sorgte zuletzt die von einem Unicredit-Manager gestreute Ansicht, die HVB könne dank ihres üppigen Kapitalpolsters der Unicredit weitere sieben Milliarden Euro überweisen. Damit könne die Unicredit zusätzliche 40 Milliarden Euro in die Wirtschaft Italiens investieren. Dass die HVB direkt mit italienischen Unternehmen Geschäfte macht, ist in der Arbeitsteilung des Konzerns nicht vorgesehen.

Ob Ghizzoni, jetzt als italienisch-deutscher Manager des Jahres ausgezeichnet, auch 2014 zu den Erfolgsverwöhnten im europäischen Bankenkonsolidierungsprozess zählt, hängt auch von der Europäischen Zentralbank ab. Denn die will die Bankbilanzen der größten europäischen Häuser auf Herz und Nieren testen. Unicredit hat großen Bestände an italienischen Staatsanleihen in den Büchern. Dass die Bank noch mal neues Kapital benötigt, ist nicht ausgeschlossen.

Der Preis "Best of European Business" wird jährlich von der Unternehmensberatung Roland Berger vergeben, diesmal gemeinsam mit Süddeutscher Zeitung und Manager Magazin. Die Preisverleihung fand am Mittwochabend im Rahmen des SZ-Führungstreffens Wirtschaft in der italienischen Botschaft in Berlin statt. Vergeben wurde der Preis in drei Kategorien: BMW wurde als wachstumsstarkes Großunternehmen ausgezeichnet, Fuchs Petrolub als wachstumsstarkes mittleres Unternehmen, Federico Ghizzoni als italienisch-deutscher Manager des Jahres.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2013
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