Süddeutsche Zeitung

Ungerecht:10 000-Euro-Modell am Ende

Lesezeit: 3 min

Top-Verdiener können mit Guthaben-Kreditkarten von ihrem Arbeitgeber Steuern sparen. Doch damit soll 2020 Schluss sein.

Von Thomas Öchsner, München

Wenn es ums Thema Steuern sparen geht, können Unternehmen wie Arbeitnehmer recht kreativ sein - besonders dann, wenn genug finanzielle Spielmasse vorhanden ist. In diese Kategorie fällt das, salopp gesagt, 10 000-Euro-Modell. Ein Modell, von dem wenige Spitzenverdiener in Deutschland profitieren, das aber für einen Durchschnittsverdiener so weit weg ist wie für die meisten Menschen ein Grundstück am Starnberger See.

Das Ganze geht so: Ein Arbeitgeber will einen Spitzenverdiener jenseits seines Gehalts zusätzlich belohnen. Er schenkt ihm eine Prepaidkreditkarte, aufgeladen mit bis zu 10 000 Euro. Der Arbeitnehmer kann damit, egal wo, einkaufen und vor allem eine Menge Steuern sparen. "Es geht um eine Win-Win-Situation. Der Personalchef bietet einen attraktiven Bonus. Der Arbeitnehmer muss für die 10 000 Euro keine Einkommensteuer zahlen, die übernimmt sein Arbeitgeber, pauschal in Höhe von 30 Prozent", sagt der Berliner Steuerberater Oliver Hagen. Doch mit diesem Steuersparmodell für Top-Verdiener dürfte nach den Plänen des Bundesfinanzministeriums Anfang 2020 Schluss sein.

Das dürfte auch an einem geharnischten Bericht des Bundesrechnungshofs (BRH) liegen. Im April 2019 stellte der BRH fest, "dass immer mehr Arbeitgeber ihren leitenden Arbeitnehmern anstelle von Sonderzahlungen (Tantiemen, Gratifikationen) Prepaidkreditkarten überlassen und mit Beträgen von bis zu 10 000 Euro jährlich aufladen". Ein Top-Verdiener mit einem Steuersatz von bis zu 45 Prozent spare damit gegenüber einem Kollegen, der 10 000 Euro Lohn normal überwiesen bekommt, bis zu 4500 Euro Einkommensteuer zuzüglich Kirchensteuer und Solizuschlag, rechnet der BRH vor und kritisiert: "Diese steuerliche Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern verletzt den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz."

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will deshalb "Entgeltoptimierungsmodelle" für solche Top-Verdiener zukünftig begrenzen. Mit den 10 000-Euro-Kreditkarten "werden all diejenigen Arbeitnehmer benachteiligt, deren Arbeitgeber Geldbeträge nicht auf eine Prepaidkreditkarte leisten, sondern auf das Konto des Arbeitnehmers zahlen", begründet dies eine Sprecherin des Ministeriums.

Steuerexperten hatten das erwartet. Auch Steuerberater Hagen versteht, dass die Regierung um diese Spielwiese für Steuersparer einen Zaun ziehen will. "In Gesprächen mit führenden Finanzbeamten und Finanzrichtern wird immer häufiger von unzulässigen Steuersparmodellen gesprochen, weil einige Kartenfirmen öffentlichkeitswirksam mit Steuervorteilen werben und ihre Produkte aggressiv an mittelständische Firmen vertreiben", sagt er. Hinter vorgehaltener Hand sprächen Betriebsprüfer mittlerweile sogar "häufiger von Anstiftung zur Steuerhinterziehung". Auch hätten Finanzpolitiker darauf hingewiesen, dass es bei einigen Firmen wegen bestimmter, von den Finanzämtern nicht mehr akzeptierter Gestaltungsmodelle "siebenstellige Nachzahlungen" gegeben habe. Maßgeblich ist hier Paragraf 37 b des Einkommensteuergesetzes. Demnach ist es Arbeitgebern erlaubt, ihren Angestellten über eine Freigrenze von monatlich 44 Euro hinaus einmal pro Jahr Sachleistungen im Wert von bis zu 10 000 Euro zu gewähren und diese Leistung pauschal mit 30 Prozent zu versteuern.

Ungewiss ist nun aber, wie es mit der Freigrenze von 44 Euro weitergeht. Bislang können Unternehmen ihren Mitarbeitern bis zu dieser Grenze ein steuerfreies Zubrot geben, etwa in Form eines Abos für ein Fitnessstudio, als Gutschein zum Tanken und für den Einzelhandel - oder eben in Form einer aufgeladenen Prepaidkarte, ohne dass auf die 44 Euro Sozialabgaben oder Steuern fällig sind. Gerade die Kartenvariante ist beliebt. Hochgerechnet auf Basis einer Umfrage bei 500 Firmen soll es bereits etwa sechs Millionen Angestellte geben, die von einer solchen Prepaidkarte profitieren. Nur, wie lange noch?

Das Ministerium hat angekündigt, die 44-Euro-Grenze der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anzupassen (AZ.: VI R 13/16 und VI R 16/17). Demnach sollen zweckgebundene Geldleistungen oder nachträgliche Kostenerstattungen nicht mehr ohne Weiteres als Sachbezug gelten. Nur Sachleistungen des Arbeitgebers fielen weiter unter die 44-Euro-Grenze. "Arbeitgeber können ihren Arbeitnehmern nicht nur die Sachleistungen direkt, sondern auch weiter Gutscheine, zum Beispiel die verschiedensten aufladbaren Geschenkkarten des Einzelhandels, die dazu berechtigen Waren vom Aussteller des Gutscheins zu beziehen, steuer- und sozialversicherungsfrei bis zur Höhe von 44 Euro im Monat zukommen lassen", heißt es im Finanzministerium. Geldleistungen auf den beliebten Prepaidkarten würden dann aber als sogenannte Geldsurrogate nicht mehr unter die von Steuern und Abgaben befreiten Sachbezüge fallen.

Der Prepaid-Verband Deutschland ist deshalb alarmiert, er fürchtet um die Geschäfte der Branche mit Anbietern wie Givve oder Spendit. Der Verband fordert, Guthaben-Kreditkarten im Steuerrecht als Sachbezug weiterzuverankern, auch damit die Arbeitnehmer beim Einkaufsbummel das Geschäft wie bisher frei wählen können. Noch ist jedoch wie stets bei Gesetzesentwürfen das letzte Wort nicht gesprochen. Ob die Länder den Änderungen bei der 44-Euro-Regel zustimmen, ist ungewiss. Das Parlament lässt solche Entwürfe meist nie ungeschoren passieren. Gut möglich also, dass Scholz bei der 44-Euro-Regel nachbessern muss. Top-Verdiener, die vom 10 000-Euro-Modell profitieren, können sich aber schon mal darauf einstellen, dass sie so bald nicht mehr Steuern sparen können.

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Quelle:
SZ vom 27.05.2019
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