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Rücktritt des Chefaufsehers:Krise bei Thyssenkrupp erreicht die nächste Stufe

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Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Der Industriekonzern Thyssenkrupp verliert nach seinem Vorstandschef nun auch seinen langjährigen Aufsichtsratschef. Ulrich Lehner will seinen Posten als Chefkontrolleur bereits Ende dieses Monats niederlegen und tritt aus dem Aufsichtsrat zurück. Das gab der Konzern am Montag nach Börsenschluss bekannt. Der 72-Jährige verbindet seinen Abgang mit einer Warnung: "Meine Entscheidung möge dazu beitragen, das notwendige Bewusstsein bei allen Beteiligten zu schaffen, dass eine Zerschlagung des Unternehmens keine Option darstellt."

Thyssenkrupp steckt seit diesem Monat in einer existenziellen Führungskrise: Vorstandschef Heinrich Hiesinger ist Anfang des Monats zurückgetreten, nachdem mehrere Investoren kritisiert hatten, der Umbau des Traditionskonzerns gehe ihnen nicht schnell genug. Aktivistische Aktionäre wie Cevian aus Schweden oder der US-Fonds Elliott fordern, Thyssenkrupp müsse seinen verschiedenen Sparten viel mehr Eigenständigkeit geben. Der Konzern verkauft nicht nur Stahl, sondern auch Aufzüge und Autoteile, Anlagen und U-Boote.

"Ich gehe diesen Schritt bewusst, um eine grundsätzliche Diskussion bei unseren Aktionären über die Zukunft von Thyssenkrupp zu ermöglichen"

Chefkontrolleur Lehner verabschiedet sich nun fast mit denselben Worten, mit denen vor kurzem auch sein Vorstandschef Hiesinger seinen Rücktritt ankündigte: "Ich gehe diesen Schritt bewusst, um eine grundsätzliche Diskussion bei unseren Aktionären über die Zukunft von Thyssenkrupp zu ermöglichen", sagt Lehner. Das Vertrauen der großen Aktionäre und ein gemeinsames Verständnis im Aufsichtsrat seien die Grundlage seiner Arbeit als Aufsichtsratschef gewesen. "Das ist heute nicht mehr gegeben."

Der frühere Henkel-Chef sitzt seit zehn Jahren im Aufsichtsrat von Thyssenkrupp; seit dem Jahr 2013 ist er Chefkontrolleur. In den vergangenen Monaten hat sich Lehner stets hinter Vorstandschef Hiesinger gestellt, der eine Zerschlagung des Ruhrkonzerns vehement ablehnte. Daher nahmen auch die mächtigen Arbeitnehmervertreter von Thyssenkrupp ihren Aufsichtsratschef in Schutz: Der Konzern brauche nun Stabilität, auch an der Spitze des Aufsichtsrates, sagte Knut Giesler, Chef der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, noch vor einer Woche.

Danach kritisierte Lehner die aktivistischen Investoren von Thyssenkrupp jedoch in harscher Form. Deren Verbalangriffe auf die Konzernführung grenzten an "Psychoterror", sagte er in einem Zeit-Interview. Nun fügt sich Lehner dem Druck der Aktionäre. Der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp wolle "kurzfristig" einen neuen Chefkontrolleur bestimmen, teilt das Unternehmen mit.

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Quelle:
SZ vom 17.07.2018
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