Süddeutsche Zeitung

TPP:Angst vor Amerika

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Die Freihandelsgespräche im Pazifik enden ohne Ergebnis. Vor allem Japan hat Bedenken.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) läuft die Zeit davon. Die jüngste Verhandlungsrunde der zwölf Staaten auf der Insel Guam im Pazifischen Ozean ging vorige Woche ohne Durchbruch zu Ende. Erstmals wurde dafür nicht Tokio verantwortlich gemacht, sondern Washington beziehungsweise interne Machtkämpfe. Denn die Demokraten verweigerten Präsident Barack Obama umfassende Vollmachten bei den TPP-Verhandlungen, sie befürchten einen Verlust an Einfluss.

Die Gespräche zu einer TPP verliefen von Beginn an äußerst zäh. Mehr als tausend Japaner, darunter viele Parlamentsabgeordnete, haben eine Klage gegen TPP eingereicht. Sie werfen dem - noch nicht einmal formulierten - Abkommen vor, es verletzte Japans Verfassung. Und gefährde die medizinische Versorgung der Japaner und ihre Lebensmittelsicherheit.

Bisher schottet Japan fünf Sektoren seiner Landwirtschaft gegen Importe ab: Reis, Weizen, Rind- und Schweinefleisch, Milchprodukte und Zucker. Noch vor einem Jahr versprach Wirtschaftsminister Akira Amari den Bauern, das werde auch so bleiben. In seinen bisherigen Freihandelsabkommen hat Tokio stets an seinen hohen Agrarzöllen festgehalten, auf Reis erhebt es 778 Prozent. Das akzeptieren die USA nicht. Sie verlangen, im Rahmen der TPP müsse Japan mindestens 175 000 Tonnen Reis zollfrei einführen.

Tokios Suche nach einem Weg, der TPP beizutreten, ohne vor allem bei Reis und Weizen nachzugeben, hat die Verhandlungen lange verzögert. In den vergangenen Wochen jedoch ist der zuvor laute Widerstand der Reisbauern verstummt. In Tokio wird gerätselt, ob sie fest mit einem Scheitern rechnen. Oder ob eine Lösung gefunden wurde.

Premier Shinzo Abe erhofft sich von der TPP einen Schub für die Wirtschaft. Er hat das Abkommen als "vierten Pfeil" von Abenomics bezeichnet, seines Ankurbelungsprogramms, das bisher kaum Erfolg hat. Die lockere Geldpolitik der Notenbank heizt bloß die Börse an und schwächt den Yen. Letzteres bläst zwar die repatriierten Gewinne japanischer Konzerne auf, hat sich aber bisher kaum auf das Export-Volumen ausgewirkt. Andrerseits spielt Japans Geldpolitik in die Hände der TPP-Gegner im US-Kongress. Sie werfen Tokio vor, es manipuliere seine Währung.

Experten hätten lieber andere mit im Boot. Für sie gehören Japan, Südkorea und China zusammen

Die Bauern, in Japan eine kleine Minderheit, gehören zu Abes treuesten Wählern. Die Vorstellung, als Japaner amerikanischen Reis essen zu müssen, mobilisiert aber auch viele Städter. Mehr noch befürchtet die urbane Gegnerschaft, Japan könnte mit dem TPP-Beitritt viel Souveränität aufgeben. Washington will -wie auch mit der TTIP, über die Europa und die USA verhandeln - nicht nur Handelsschranken abbauen, es drängt auch auf die Öffnung der Finanzmärkte und will den Partnerstaaten die eigenen Wettbewerbsregeln, das Arbeitsrecht, den Gläubigerschutz und die Qualitäts- und Umwelt-Vorschriften aufzwingen. Außerdem soll die TPP multinationale Unternehmen ermächtigen, gegen nationale Regierungen zu klagen. Das weckt auch anderswo in Ostasien Skepsis. In Japan finden manche Gegner zudem, die TPP sei das falsche Abkommen. Nippon ist wirtschaftlich enger mit China verbunden als die meisten EU-Staaten miteinander. Kiyoyuki Seguchi vom Canon-Institute for Global Studies sagt, wirtschaftlich müsse man Japan, Südkorea und China heute als ein Land betrachten. Auf die Dauer mache eine TPP ohne China wenig Sinn.

Das sieht Washington anders. Die USA entdeckten ihr Interesse am transpazifischen Freihandel just, als die damalige japanische Regierung 2009 von einer "ostasiatischen Gemeinschaft" zu reden begann. Das alarmierte die Obama-Administration. Die TPP existiert schon seit 2004, ein Klub der reichen Kleinstaaten Singapur, Brunei, Neuseeland und Chile, um den sich Washington kaum kümmerte. Das änderte sich schlagartig, als eine Annäherung Tokios an Peking denkbar wurde.

Washington spannte sich vor die vier Kleinstaaten und forderte Malaysia, Vietnam, Kanada, Mexiko und Peru auf, mitzumachen. Vor allem aber Japan. Damit wollten die USA, so sieht man das in Peking, einen Keil zwischen Japan und China treiben. Die USA ließen von Anfang erkennen, an einer TPP ohne Japan kein Interesse zu haben, zumal es ihnen nicht primär um den Freihandel geht. Obama nannte die TPP "eine Gelegenheit, die Chinesen daran zu hindern, die Regeln des Welthandels zu schreiben".

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SZ vom 02.06.2015
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