Süddeutsche Zeitung

Tipps von Carsten Maschmeyer:Ganz viel Sauerstoff

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Er hat viel Geld, einen Keller mit edlen Weinen, eine von allen geliebte Frau, einen Altkanzler zum Freund und kauft sich Anteile an Firmen wie andere Unterhosen. Jetzt demokratisiert Carsten Maschmeyer in seiner Schwarte "Selfmade: erfolg reich leben" in einfachen Merksätzen persönliche Erkenntnisse.

Hans-Jürgen Jakobs

Wovon soll man träumen? Das ist die Standardfrage der vielen Werktätigen, die täglich mit dem Fahrrad, dem Polo, dem Zug oder dem Bus ins Büro fahren. Wovon aber soll erst einer träumen, der schon alles besitzt, den die ökonomische Lehre von der Unendlichkeit der Bedürfnisse vor besondere Anforderungen stellt?

Die Frage nach dem verbliebenen Traum ist nun mal schwerer zu beantworten, wenn einer über viele Hundert Millionen Euro verfügt, ein Haus hat oder auch drei, einen Keller mit ganz viel altem Wein, eine von allen geliebte Frau, einen bekannten Ökonom als Hausvolkswirt, wenn er gewesene Präsidenten und Kanzler seine Freunde nennt und sich Anteile an Firmen kauft wie andere Schlüpfer.

Das ist das Problem des Carsten Maschmeyer, aber er hat nun seine Lösung gefunden, worauf ihn womöglich seine großzügigen Hilfen für Druckwerke von Gerhard Schröder und Christian Wulff gebracht haben: Nur wer ein eigenes Buch schreibt und es strategisch geschickt in die Rederepublik mit ihren Talkshows und Salons platziert, hält Einzug in die Hall of Fame, auch wenn als Lebensleistung lediglich die Gründung des einst von Skandalen und Prozessen begleiteten Finanzstrukturvertriebs AWD steht.

Jeder Neukontakt kann bares Geld sein

Ich schreibe, also bin ich - so schlussfolgert der Mann, dessen Schnauzbart der Liebe zu Veronica Ferres zum Opfer fiel, der inzwischen bei den Mitteldeutschen Fahrradwerken größter Aktionär ist, der bei den Marseille-Kliniken mitmischt und bei vielen anderen Unternehmen - ein deutscher "Warren Buffett" also, der nun in seiner Schwarte "Selfmade: erfolg reich leben" in einfachen Merksätzen die persönlichen Erkenntnisse über Karriere demokratisiert. Auf vier "S" komme es an, beispielsweise auf S wie Sparen, aber es soll auch nicht zu viel verraten werden. Nur das noch: Geschäftlich gesehen "kann jeder Neukontakt bares Geld sein, Networking ist ein Sparkonto" und "Beziehungen sind das halbe Leben" - ein Leben ohne Beziehungen sei "wie Tauchen ohne Sauerstoff".

Noch nie wurde die alte Pop-Erkenntnis "Love Is Like Oxygene" wohl so konsequent umgesetzt. So ein Buch kann ja für ganz viel Sauerstoff sorgen, es ist sozusagen ein permanentes Sauerstoffzelt, für einen Prominenten mit regelmäßiger Präsenz in Bild und Bunte allemal. So ein Buch sorgt auch für ganz viele Neukontakte, und damit für potenziell einen Haufen Bargeld. Das bringt uns zu all den Unglücklichen, die auch einmal richtig tauchen wollten mit viel Sauerstoff, die aber irgendwie mit der Atemmaske nicht zurechtkamen. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier beispielsweise publizierte im Bundestagswahlkampf 2009 eine Biographie, die trotz Enthüllungen über das Leben in Ostwestfalen im Buchhandel lag wie Blei und letztlich von der Partei an die Genossen verteilt werden musste. Politiker setzen gerne auf den Selfmade-Effekt des Kollegen Maschmeyer, sie schreiben, was die Kladde hergibt. Eine Erfolgsgarantie ist ein Buchprojekt nicht, und selbst Freiherr Karl-Theodor zu Guttenberg hat seine großen Berliner Pläne verschieben müssen, weil sein Interview-Buch "Vorerst gescheitert" trotz der Fragekünste des Zeit-Chefredakteurs den gewählten Titel des Ouevres eher bestätigte.

Ganz sicher sollte "KT" in seinem amerikanischen Exil beim großen Politikflüsterer Maschmeyer nachlesen, was Erfolg ausmacht, schließlich hat der "Selfmade"-Vorabdruck in Bild vorige Woche dazu geführt, dass in einer Großstadt wie München schon am Samstag kein einziges Exemplar mehr verfügbar war. Wahrscheinlich haben ganze Trupps von Finanzoptimierern, Motivationskünstlern, Coachs und Ferres-Freunden die Bücher karrenweise abgekauft. Im Interview sagt der Buchautor auf die Frage, ob er ohne seine Millionen wohl den TV-Star Ferres erobert hätte: "zu 99 Prozent nicht". Er fügt an, da auch sie begütert ist, sei alles einfacher.

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Quelle:
SZ vom 19.03.2012
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