Süddeutsche Zeitung

Telekom: Flucht aus den USA:Die T(rümmer)-Aktie

Lesezeit: 3 min

Anleger kaufen an diesem Montag wie im Rausch die Aktien der Deutschen Telekom - das Wertpapier gewinnt zweistellig. Doch die bittere Wahrheit ist: Die Telekom-Anteile gehören zu den kläglichsten Aktien im Dax.

Hans von der Hagen

Der Schauspieler Manfred Krug hat sich längst "aus tiefstem Herzen" für seinen "größten beruflichen Fehler" entschuldigt. Er hatte allen Grund für den Kniefall: Entscheidend hatte er dazu beigetragen, die Deutschen in den neunziger Jahren zu einem Volk von Aktionären - besonders zu Telekom-Anteilseignern - zu machen.

Diese T-Trümmer haben viele bis heute in ihrem Depot. Am vergangenen Freitag notierten sie mit 9,59 Euro, an diesem Montag sind es zeitweise 16 Prozent mehr. Über das Wochenende ist die Telekom also fast sieben Milliarden Euro wertvoller geworden. Zum Vergleich: Der Zuwachs entspricht in etwa dem Marktwert der Lufthansa.

Es entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie, dass die Anleger feiern, obwohl die Telekom in den Vereinigten Staaten kapituliert hat und nun Geschäft abbaut - sie verkauft ihre US-Mobilfunktochter an den Rivalen AT&T.

Der Konzern wird mehr wert, weil er weniger macht. So funktioniert das Geschäft in Bonn. Noch vor kurzem hieß es, die Telekom wolle ihr kränkelndes Anhängsel in den Vereinigten Staaten selbst sanieren - doch die Anleger sind offenbar glücklich und dankbar, dass sie das gar nicht erst probiert.

"Eine Riesen-Erleicherung"

Der Kurssprung an diesem Montag - ein Plus von 11,3 Prozent - ist einer der größten Tagesgewinne für das Papier seit dem Börsengang 1996.

Analysten wie Dominik Klarmann von HSBC Trinkaus erklären, dass das Unternehmen "endlich eine gute Lösung für das US-Sorgenkind" gefunden habe. Mit dem Verkauf könne sich die Telekom nun wieder auf ihr Europa-Geschäft konzentrieren.

"Endlich. Eine Riesen-Erleicherung", meinte auch DZ-Bank-Analyst Joeri Sels. Warum das so ist? "Mit dem Deal fallen die hohen Investitionen in das Mobilfunknetz der vierten Generation (4G) weg", sagt Marktexperte Heino Ruland von Ruland Research. Das nähre die Zuversicht, dass der Konzern weiterhin eine attraktive Dividende für seine Aktien zahle."

Kritik übte Ruland indes an dem Verkaufspreis: "Die Telekom hätte einen noch höheren Preis erzielen können. Der Preis von 825 Euro je Kunde ist nicht allzu hoch." Der Konzern verkauft T-Mobile USA für 39 Milliarden Dollar - gekauft hatte sie der frühere Telekom-Chef Ron Sommer vor elf Jahren für 51 Milliarden Dollar.

25 Milliarden Dollar des Kaufpreises bezahlt AT&T in bar, der Rest wird in Aktien beglichen. Die Telekom steigt mit einem Anteil von dann rund acht Prozent zum größten Minderheitsaktionär des US-Schwergewichts auf.

Zum Problem könnten jetzt nur noch wettbewerbsrechtliche Hürden werden, warnt Adrian Pehl, Analyst bei Equinet. AT&T und T-Mobile kämen zusammen auf einen Marktanteil von 40 Prozent. Möglicherweise ist das den Behörden zu viel.

Einer der schlechtesten Werte im Dax

Trotz des Kurssprungs auf etwas mehr als zehn Euro gibt die Telekom-Aktie im Vergleich zu den übrigen Dax-Werten ein jämmerliches Bild ab. Der Ausgabekurs für die erste Tranche der Aktien im November 1996 lag bei umgerechnet 14,57 Euro (28,50 Mark).

Selbst nur an diesem ersten, noch vergleichsweise tiefen Ausgabekurs gemessen ist die Entwicklung der Telekom-Aktie schon ein Desaster. Die Bilanz der vergangenen knapp 15 Jahre: Ein Minus von 26 Prozent, das durch den jüngsten Kurssprung noch kräftig geschönt wurde. Die späteren Telekom-Tranchen wurden 1999 für 39,50 Euro und ein Jahr später für 66,50 Euro verkauft.

Selten wurde Kapital so nachhaltig vernichtet - die Telekom gehört klar zu den schlechtesten Dax-Werten. Wer im November 1996 sein Kapital in Werte wie SAP, MAN oder BASF investiert hätte, könnte sich heute über ein Plus von mehr als 300 Prozent freuen. Und selbst wer es nur in Index-Zertifikaten des Dax angelegt hätte, dürfte heute einen Gewinn von knapp 140 Prozent einstreichen. Schlechter als die Telekom entwickelte sich in den vergangenen 15 Jahren nur noch die mittlerweile verstaatlichte Commerzbank.

Immerhin: Viele Analysten loben die Strategie der Telekom, sich ganz auf das Europa-Geschäft zu konzentrieren. Einige sehen die T-Aktie sogar neu als einen "Kauf", weil sich ihr Kurs in Zukunft besser als der Dax entwickeln könnte. Die knappe Mehrzahl der Telekom-Experten in den Banken bleibt indes bei dem Urteil, dass die Aktie sich eher im Gleichschritt mit dem Markt bewegt - und immer noch viele raten, dass es besser sei, die Aktie loszuwerden.

Es tut sich einfach nicht viel bei der Deutschen Telekom. In den vergangenen Jahren blieb der Umsatz der Telekom weitgehend unverändert bei etwa 62 bis 64 Milliarden Euro - fast scheint es so, als wehre sich der Konzern gegen Wachstum wie einst Oskar Matzerath in der Blechtrommel von Günter Grass. Jetzt könnte der Umsatz durch den Verkauf des US-Geschäfts sogar um rund 15 Milliarden Euro sinken. Marktexperten nennen das "Gesundschrumpfen".

Leider schrumpft eben auch der Kurs. Als sich Manfred Krug im Jahr 2007 dafür bei den Telekom-Aktionären entschuldigte, wies Telekom-Chef René Obermann die Kritik erbost zurück. Gleichzeitig bekannte Obermann pragmatisch: "Wichtig ist jetzt, dass wir alles dafür tun, dass der Aktienkurs wieder steigt". Seither kannte die Aktie fast nur eine Richtung: abwärts.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1074945
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.