Süddeutsche Zeitung

Steuernachlass:So viel könnte Alleinerziehenden künftig bleiben

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Von Guido Bohsem, Berlin

Man konnte das schlechte Gewissen der Fraktionsspitzen geradezu spüren. Um 23 Prozent seien Kinderfreibetrag und Kindergeld in den vergangenen zehn Jahren erhöht worden, hieß es nach dem Beschluss von Union und SPD. Der Entlastungsbetrag für die Alleinerziehenden jedoch seit 2004 unverändert hoch, trotz stetig steigender Preise. Dabei ist die Entlastung dafür gedacht, die höheren Kosten auszugleichen, die das Single-Leben mit Kindern mit sich bringt.

An diesem Donnerstag nun will der Bundestag zum ersten Mal über das Gesetz beraten, das den Betrag steigen lassen soll. Weil sich Finanzminister Wolfgang Schäuble und Familienministerin Manuela Schwesig aber bis zum Schluss nicht einig wurden, steht das Vorhaben noch gar nicht im Entwurf.

Insgesamt will die Koalition den Entlastungsbetrag um knapp 46 Prozent erhöhen, von 1306 auf 1908 Euro. Für jedes weitere Kind gibt es weitere 240 Euro mehr. Bei zwei Kindern beträgt er also 2148 Euro, bei drei Kindern 2388 Euro und so weiter. "Dies führt zu einer spürbaren Entlastung von Alleinerziehenden, die bereits in diesem Jahr mehr Netto vom Brutto erhalten werden", sagt der finanzpolitische Sprecher der SPD, Lothar Binding.

Der Professor für angewandte Steuerlehre an der Freien Universität in Berlin, Frank Hechtner, hat für die Süddeutsche Zeitung berechnet, wie viel für die alleinerziehenden Mütter und Väter am Ende übrig bleibt. So beträgt nach seinen Berechnungen der Steuernachlass bei zwei Kindern maximal 399 Euro. Dafür muss die Alleinerziehende allerdings mehr als 300 000 Euro brutto im Jahr verdienen. Wer hingegen nur 18 000 Euro brutto verdient (mit zwei Kindern), dem erlässt der Staat 182 Euro. Wie immer bei Freibeträgen, profitieren diejenigen am meisten, die auch die meisten Steuern zahlen. Eine Entlastung tritt nur auf, wenn das Einkommen über dem Grundfreibetrag liegt. In Hechtners Zahlen liegt die Schwelle bei einem Monatsverdienst von 1069 Euro.

Der Entlastungsbetrag soll rückwirkend zum Anfang des Jahres angehoben werden. Hechtner berechnete die Änderungen daher auf Basis der geltenden Rechtslage. Die geplante Erhöhung des Grundfreibetrages berücksichtigte er dabei nicht. Zudem geht er davon aus, dass der Alleinerziehende sich den Kinderfreibetrag mit dem anderen Elternteil teilt. Nach seinen Berechnungen verdienen Alleinerziehende im Durchschnitt etwa 26 800 Euro im Jahr. Die steuerliche Entlastung für diese Durchschnittsverdiener würde demnach bei 170 Euro liegen, wenn sie nur ein Kind haben. Bei zwei Kindern sind es 233 Euro und bei drei Kindern dann 291 Euro.

Wer im Jahr 45 000 Euro brutto verdient und ein Kind hat, wird nach Hechtners Berechnungen um 207 Euro entlastet. Der Steuernachlass steigt bei zwei Kindern auf 274 Euro und bei drei Kindern auf 354 Euro. Bei einem Einkommen von 60 000 Euro betragen die möglichen Entlastungen 246 Euro (ein Kind), 329 Euro (zwei Kinder) und 405 Euro (drei Kinder).

Der Finanzverwaltung und den Arbeitgebern dürfte die Regelung keine große Freude bereiten. Weil die Höhe des Freibetrages nun nicht mehr einheitlich ist, sondern sich je nach Kinderzahl verändert, ist er nach Hechtners Einschätzung deutlich schwerer zu verwalten: "Die individuelle Staffelung des Freibetrages dürfte im Lohnsteuerabzugsverfahren nicht so leicht umzusetzen sein. Die Neuregelung dürfte damit einmal wieder zu mehr Bürokratiekosten führen."

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SZ vom 23.04.2015
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