Süddeutsche Zeitung

Steuerflucht:Transparenz hilft

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Die EU-Kommission geht gegen die Steuerflucht von Konzernen vor. Das ist aber juristisch vielleicht nicht erfolgreich. Daher braucht es vor allem mehr Transparenz: Die Steuertricks der Konzerne müssen öffentlich gemacht werden.

Kommentar von Bastian Brinkmann

Die besten Kaffeebohnen der Welt kommen aus der Schweiz. Das klingt überraschend, aber die Kaffeehauskette Starbucks bezog tatsächlich grüne Bohnen aus der Schweiz, dort saß eine Starbucks-Tochter. Geröstet wurde in den Niederlanden. Aber warum mit Schweizer Bohnen? Das war schlicht und einfach ein Steuertrick, urteilte die EU-Kommission 2015. Starbucks musste in den Niederlanden 25,7 Millionen Euro Steuern nachzahlen. Doch nun hat das Gericht der Europäischen Union die Kommissionsentscheidung verworfen, die Schweiz-Route war legal. An diesem Dienstag ist noch ein zweites Urteil des EU-Gerichts ergangen, das eine Vorinstanz zum Europäischen Gerichtshof ist: Der Autokonzern Fiat hat in Luxemburg auch einen Steuertrick genutzt, musste 23,1 Millionen Euro nachzahlen - doch in diesem Fall war die Entscheidung der EU-Kommission völlig richtig, sagten die Richter.

Die beiden Urteile zeigen: Der Kampf der EU-Kommission gegen Steuerflucht in den Mitgliedsstaaten ist eine heikle Sache. Beide Fälle dürften erst in Jahren letztinstanzlich entschieden werden.

Aber vor Gericht allein ist das Problem der europäischen Steueroasen nicht zu lösen. Es braucht öffentlichen Druck auf die Niederlande, Irland, Luxemburg. Und damit der sich entfalten kann, braucht es mehr Transparenz. Informationen über die Steuertricks von Konzernen können eine gesellschaftliche Debatte auslösen, wie zuletzt die Panama und die Paradise Papers gezeigt haben. Das hat in den Ländern diejenigen gestützt, die Konzerne stärker in Haftung nehmen wollen. Diese Politiker haben es in Staaten, deren Geschäftsmodell der Steuervorteil ist, nicht leicht.

Darum ist es richtig, dass auch die neue EU-Kommission die Mitgliedsstaaten dazu bringen will, weniger aggressiv Steuerschlupflöcher anzubieten. Aber die Kommission muss indirekt vorgehen, so erfordern es die europäischen Regeln: Brüssel argumentiert nicht, wie der normale Steuerzahler vielleicht denken könnte, damit, dass es unfair ist, wenn große Konzerne mithilfe millionenteurer Berater Lücken in Gesetzestexten ausnutzen und komplexe Offshorekonstrukte schaffen. Diese Möglichkeiten stehen durchschnittlichen Steuerzahlern nicht offen, die dann allein für die Ausgaben des Staates aufkommen müssen.

Die EU-Kommission argumentiert stattdessen so: Unfaire Steuervorteile verzerren den Wettbewerb der Unternehmen innerhalb der Union. Die Brüsseler Behörde hat dafür zu sorgen, dass dieser Wettbewerb fair bleibt. Es müssen also die gleichen Regeln für alle Konzerne gelten. Wenn nur ein einzelner internationaler Konzern in einem EU-Land einen individuellen Steuervorteil bekommt, ist das eine sogenannte Beihilfe. Und die ist verboten, wenn den Konkurrenten diese Möglichkeit nicht offen steht. Aber so einfach ist das in den europäischen Konzernsteueroasen Niederlande, Luxemburg und Irland nicht: Dort kann so ziemlich jedes Unternehmen einen Steuervorteil bekommen. Ist das dann noch Wettbewerbsverzerrung? Diese Frage ist juristisch komplex und wird erst in Jahren geklärt sein.

Schon das EU-Gericht weist nun darauf hin: Ein verbotener Steuervorteil liege nur vor, wenn er von der "normalen" Besteuerung abweiche. Aber was ist "normal"? Das ist vor allem eine politische Frage, die die europäische Gesellschaft entscheiden muss.

Die Niederlande gehen gegen Steuertricks vor. Aber bringt das was? Ohne Daten kann das keiner wissen

Dafür sind mehr Informationen erforderlich. Bislang schützt das Steuergeheimnis auch die Steuertricks der Konzerne. Das ist absurd. Die Niederlande haben gerade eine Reform angekündigt, die es Konzernen schwieriger machen soll, das Finanzamt auszutricksen. Das ist ein begrüßenswerter Schritt - doch selbst Steuerexperten fällt es schwer, zu beurteilen, wie einschneidend die niederländischen Reformen sein könnten. Es fehlen schlicht die Daten, um das einzuschätzen.

Natürlich gibt es - schließlich geht es um Steuerrecht - einen komplizierten Fachbegriff für mehr Transparenz. Der heißt "Country-by-Country-Reporting", auf Deutsch: länderspezifische Berichterstattung. Bei dieser Regelung müssten Konzerne ihre finanziellen Eckdaten je Land veröffentlichen. Dann fiele sofort auf, wenn ein Unternehmen in einem Staat kaum Mitarbeiter hat, aber riesige Gewinne verbucht - prompt gäbe es Steuerfluchtalarm. Bisher hat die Bundesregierung in Brüssel diese Länderberichte zu verhindern versucht. Groß ist die Angst, dass auch exportstarke deutsche Konzerne am Pranger stünden. Soeben hat Finanzminister Olaf Scholz sich im SPD-Parteiwahlkampf für ein öffentliches Country-by-Country-Reporting ausgesprochen. Immerhin.

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Quelle:
SZ vom 25.09.2019
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