Süddeutsche Zeitung

Steuerflucht:Reich für die Insel

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Fast jeder dritte britische Milliardär nutzt Steueroasen - viele Steuer-Flüchtlinge spenden an die Tories.

Von Björn Finke, London

Jim Ratcliffe hat eine sehr beeindruckende Unternehmerkarriere hingelegt. Der 66-Jährige wuchs in einem Sozialbau im Norden Englands auf. Heute ist er der reichste Brite, dank des Chemiekonzerns Ineos, den er gründete. Prinz William schlug ihn im Sommer zum Ritter, für seine Verdienste um Wirtschaft und Investitionen. Das hindert Sir Jim allerdings nicht daran, zusammen mit zwei anderen Ineos-Großaktionären aus dem Vereinigten Königreich in das Fürstentum Monaco umzuziehen. Diese Pläne wurden zwei Monate nach dem Ritterschlag bekannt.

Monaco ist eine Steueroase, und Medienberichten zufolge arbeiten die drei schwerreichen Ineos-Eigner mit der Beratungsfirma PwC an Konzepten, Anteile legal aus dem Einflussgebiet des britischen Fiskus zu schaffen. Das soll bis zu vier Milliarden Pfund an Steuern sparen - eine ungeheure Summe. PwC erschien dieser Auftrag als derart heikel, dass die Gesellschaft offenbar erwog, das Mandat abzugeben. Ein Ineos-Sprecher sagt dazu, der Konzern und seine Besitzer hielten sich selbstverständlich an alle Steuergesetze.

Doch wer die richtigen Berater hat, kann sich an alle Gesetze halten und trotzdem ordentlich sparen: indem er Besitztümer in Steueroasen verschiebt oder - besser noch - selbst zum Steuerbürger dieser Länder wird, anstatt unter der Fuchtel des britischen Fiskus zu leben. Nach Recherchen der Tageszeitung The Times sind 28 der 93 britischen Milliardäre, also fast jeder dritte, nicht steuerpflichtig im Königreich, weil sie in Länder mit günstigeren Sätzen umgezogen sind oder dies gerade machen. Als steuerliche Heimat sind Monaco, die Schweiz und die Inseln im Ärmelkanal am beliebtesten. Die Superreichen bleiben britische Staatsbürger, dürfen auch Zeit im Königreich verbringen, aber für die Finanzbehörden gelten sie als Ausländer. Fast die Hälfte der 28 Steuer-Emigranten zog erst in den vergangenen zehn Jahren um.

Für die regierenden Konservativen ist ein anderes Ergebnis der Recherche besonders heikel: Demnach spenden die Steuerflüchtlinge kräftig an die Tories; in den drei Monaten vor der Parlamentswahl 2017 überwiesen Briten aus Steueroasen insgesamt gut eine Million Pfund an die Partei von Premierministerin Theresa May. Ein Gesetz von 2009 verbietet Menschen, die nicht steuerpflichtig im Königreich sind, Parteispenden von mehr als 7500 Pfund. Allerdings wurde dieses Gesetz bis heute nicht in Kraft gesetzt. Wie praktisch für die Regierung. Margaret Hodge, eine Abgeordnete der Oppositionspartei Labour, bezeichnet es als "obszön", dass Bewohner von Steueroasen britische "Politik mit Spenden beeinflussen".

Kronbesitzungen wie die Isle of Man sollen besser informieren als Deutschland

Die Enthüllungen kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn May steht wegen ihres Umgangs mit Steuerparadiesen ohnehin in der Kritik. Eine parteiübergreifende Gruppe im Parlament will die sogenannten Kronbesitzungen des Königshauses zu mehr Offenheit zwingen. Diese Kronbesitzungen - die Isle of Man in der Irischen See sowie die Ärmelkanal-Inseln Jersey und Guernsey - verdienen viel Geld als Standorte für Briefkastenfirmen.

Nicht alle Briefkastenfirmen in Steueroasen dienen dazu, Geld zu verstecken, sei es vor dem Fiskus, der Polizei oder der geschiedenen Gattin. Aber manche eben schon. Das zeigen etwa die Enthüllungen aus den "Troika-Laundromat"-Papieren, den Panama oder Paradise Papers. Die Abgeordneten verlangen darum in einem Antrag, dass die Inseln bis 2020 ein für jeden einsehbares Register der Eigentümer von Unternehmen aufbauen.

Die Insel-Regierungen lehnen das ab und verweisen darauf, dass sie ausländischen Steuer- und Ermittlungsbehörden ohnehin bei Anfragen helfen. Die Kronbesitzungen haben eigene Parlamente, London ist jedoch für Außen- und Verteidigungspolitik zuständig. Premierministerin May will die Inseln zu nichts zwingen, zumal höchst zweifelhaft ist, ob London ihnen überhaupt Vorschriften zur Steuerpolitik machen darf. Allerdings ist Mays Mehrheit im Unterhaus klein; die Regierungschefin musste eine Niederlage befürchten. Daher verschob sie die Parlamentsdebatte zu dem Antrag kurzerhand - zur Empörung der Abgeordneten.

EU-Staaten haben solche Register der wirtschaftlich Berechtigten bis 2017 einführen müssen; das sah die Geldwäscherichtlinie Brüssels vor. Das Regelwerk ließ den Ländern die Wahl, ob sie die Datensammlungen für jeden zugänglich machen oder nur für Behörden. Das deutsche Transparenzregister darf nicht jeder durchsuchen. In Großbritannien dagegen sind die Angaben frei verfügbar. Das hilft Organisationen wie Transparency International oder Netzwerk Steuergerechtigkeit, die gegen Korruption und Steuerhinterziehung kämpfen. Genau so ein offenes Register sollen nach dem Willen der Parlamentarier die Kronbesitzungen etablieren. Die Isle of Man wäre dann ein schlechteres Geldversteck als Deutschland.

Bereits im vergangenen Jahr beschloss das Parlament, die britischen Überseegebiete zu zwingen, für jeden einsehbare Register aufzubauen. Zu den Überseegebieten gehören etwa die Britischen Jungferninseln, ein beliebtes Geldversteck. Der Status dieser Gebiete unterscheidet sich von dem der Kronbesitzungen, weswegen der Eingriff Londons weniger verfassungsrechtliche Probleme aufwarf. Das Unterhaus gab den Überseegebieten Zeit bis Ende 2020. Nach erbittertem Protest aus diesen Gebieten verlängerte die Regierung die Frist bis 2023.

Die Konservativen zeigen sich also Steueroasen gegenüber ganz verständnisvoll. Aber solche Oasen sind ja auch Heimat treuer und großzügiger Parteispender.

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SZ vom 09.03.2019
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