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Steuererklärung:Wer muss, wer nicht?

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Viele könnten sich die Abrechnung mit dem Finanzamt schenken. Allerdings verzichten sie dann nicht selten auf Hunderte von Euros.

Von Berrit Gräber, München

Der letzte Abgabetermin am 31. Mai rückt unweigerlich näher. Doch schon beim Gedanken an die Steuererklärung für 2015 kommt bei vielen Bürgern Unlust auf. Bis zu 25 Prozent der 40 Millionen Arbeitnehmer lassen Schätzungen zufolge die Abrechnung mit dem Finanzamt regelmäßig sausen. Keine Lust, keine Zeit, zu kompliziert - die Palette an Ausreden bietet viele Varianten. Tatsächlich muss gar nicht jeder Zeit für den Fiskus opfern, sagt Erich Nöll, Geschäftsführer des Bundesverbands der Lohnsteuerhilfevereine (BDL). Aber es kann sich auszahlen. Wer von vornherein verzichtet, weil er glaubt, dass sowieso nichts dabei herausspringt, bringt sich oft um Hunderte Euro Rückerstattung. Andere können sich nicht um die Steuererklärung drücken. Sonst drohen Strafen. Wer muss, wer nicht? Ein Überblick:

Wer muss ran?

Für Selbständige und Freiberufler ist die Steuererklärung ein Muss. Auch bei vielen Angestellten ist es mit der automatisch vom Chef abgeführten Lohnsteuer nicht getan. Etwa jeder zweite Beschäftigte muss nach den Erfahrungen des Neuen Verbands der Lohnsteuerhilfevereine (NVL) mit dem Finanzamt abrechnen. Das bedeutet aber nicht, dass auch Steuern zu zahlen sind. Viele Kosten lassen sich gegenrechnen. Je komplizierter die Steuererklärung, desto höher sind die Steuerspar-Chancen, sagt Christina Georgiadis, Sprecherin der Vereinigten Lohnsteuerhilfe (VLH).

Wann muss die Erklärung sein?

Keine Ruhe vor dem Finanzamt hat zum Beispiel, wer 2015 Nebeneinkünfte zum Gehalt oder zur Pension hatte, die höher als 410 Euro im Jahr waren. Dazu zählen etwa Renten- und Mieteinnahmen oder Geld aus einer selbständigen Nebentätigkeit. Ran an die Steuererklärung müssen auch berufstätige Eheleute, wenn sie etwa die Lohnsteuerklassen III und V gewählt haben. Oder wenn eine Abfindung vom Chef floss, für die das Unternehmen Lohnsteuer abgeführt hat. Unvermeidlich ist die Abrechnung überdies für alle, die im vergangenen Jahr bei mehreren Arbeitgebern gleichzeitig gearbeitet haben und deren Lohn nicht pauschal versteuert wurde. Oder für getrennt lebende wie geschiedene Ehepartner, die vom Ex Unterhalt bekamen, den dieser als Sonderausgaben absetzt.

In welchen Fällen noch?

Die Pflicht gilt auch für alle, die sich einen Freibetrag auf der Steuerkarte eintragen ließen, um monatlich weniger Lohnsteuer zahlen zu müssen. Oder die Lohnersatzleistungen wie Elterngeld, Kranken-, Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld über 410 Euro bekamen. Der Fiskus hält dann gern die Hand auf: Sobald sich Nachzahlungen abzeichnen, muss ein Arbeitnehmer zwingend eine Einkommensteuererklärung machen. Auch wer im vergangen Jahr geschieden wurde und bis Silvester wieder geheiratet hat, steckt in der Pflicht.

Was ist mit Rentnern?

Für sie gibt es seit 2005 besondere Regeln. Ruheständler sollten all ihre Einkünfte aus dem vergangenen Jahr wie gesetzliche und private Rente, Miet- und Kapitaleinnahmen oder etwa Geld aus einem Nebenjob zusammenrechnen. War die Summe 2015 höher als der Grundfreibetrag, herrscht Steuerpflicht. Für Eheleute und gesetzliche Lebenspartner gilt der doppelte Wert von 16 944 Euro. In der Pflicht sind meist auch Ehepaare, von denen einer noch arbeitet. Auch Senioren können mit Freibeträgen und Pauschalen die Steuern drücken.

Wer braucht nicht?

Singles mit Lohnsteuerklasse I, ohne Kinder, die nur Einnahmen aus ihrer Arbeit haben, müssten sich die Mühe einer Steuererklärung gar nicht machen, sagt Uwe Rauhöft, Geschäftsführer des NVL. Gleiches gilt auch für Eheleute mit etwa gleich hohem Einkommen, also mit Steuerklasse IV, ohne jegliche Zusatzeinnahme. Der Fiskus wird sie in aller Regel auch nicht extra dazu auffordern. Und zwar im ureigenen Interesse. Dadurch müssen nicht noch mehr Steuererklärungen bearbeitet werden - und es fallen weniger Rückerstattungen an. Clevere Bürger lassen sich die Geld-zurück-Chance allerdings nicht entgehen.

Wer ist noch außen vor?

Alle Bürger, die nur geringe Einkünfte haben, brauchen ebenfalls keine Steuererklärung abgeben. Ein Single durfte vergangenes Jahr 8472 Euro und jede Ehe- respektive eingetragene Lebensgemeinschaft das Doppelte einnehmen, ohne dass darauf Steuern fällig werden. Die Summen entsprechen dem sogenannten Grundfreibetrag für 2015, der Bürgern steuerfrei zur Finanzierung des Existenzminimums wie Essen, Miete oder Kleidung zur Verfügung steht. Auch Hartz IV-Empfänger können sich den Papierkram sparen.

Und eine freiwillige Erklärung?

Wer angestellt, aber nicht verpflichtet ist, eine Steuererklärung abzugeben, sollte dies trotzdem tun, darin sind sich die Steuerexperten einig. Denn beim reinen Lohnsteuerabzug werden nur wenige Pauschalen berücksichtigt. Rentabel kann die freiwillige Abgabe, also die sogenannte Antragsveranlagung, immer dann sein, wenn jemand im vergangenen Jahr viele Ausgaben hatte, etwa für den Job, die Gesundheit oder den ambulanten Pflegedienst. Und wenn Steuerzahler einen weiten Weg zur Arbeit hatten oder eine beruflich bedingte Zweitwohnung mieten mussten. Mit einer Erstattung kann zudem rechnen, wer 2015 geheiratet hat, ein Kind bekam, ein schwankendes Gehalt hatte oder länger krank oder arbeitslos war. Im Schnitt zahlt das Finanzamt etwa 900 Euro zurück. Eine freiwillige Steuererklärung darf vier Jahre rückwirkend abgegeben werden. Die für 2015 muss also erst Ende 2019 beim Finanzamt sein.

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Quelle:
SZ vom 23.05.2016
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