Süddeutsche Zeitung

Spielwarenmesse:Total real

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Von Anna Günther, Nürnberg

Am Tag vor der Eröffnung verstopfen noch Handwerker die schmalen Gänge der Nürnberger Messe. Plastikfolien liegen über Pappen und Pressspanplatten, die Aussteller drapieren unter Hochdruck Puppen, Teddys und Modellautos in Regale. Wenige Stunden bleiben bis zum ersten Tag der Spielwarenmesse, die an diesem Mittwoch beginnt. Sie gilt als weltweit wichtigster Treffpunkt der Branche, und die Organisatoren melden neue Rekorde: 2857 Aussteller aus 67 Nationen zeigen in diesem Jahr in insgesamt 15 Hallen sechs Tage lang ihre Waren.

Im Chaos des Vortages ist das noch schwer vorstellbar. Wenige Höhenmeter trennen die Baustelle von der Neuheiten-Schau, auf der ausgewählte Hersteller ihre Produkte präsentieren. Die Branche gibt sich optimistisch und lässt an mehreren Ständen Glitzer regnen. Schließlich gab es 2014 - nach einem schlechten Start - einen Rekord: Mehr als eine Milliarde Euro wurden mit Spielwaren in Deutschland umgesetzt. Den größten Anteil hatten Konstruktionsspielzeuge wie Lego gefolgt von Brettspielen und Puzzlen, Figuren und Artikeln für Kleinkinder.

Was in diesem Jahr unter dem Weihnachtsbaum liegen könnte, muss sich zeigen. Die Trends lassen das erst erahnen. Bei der Neuheiten-Schau erzählen Halb-Prominente wie die Topmodel-Kandidatin Rebecca Mir oder die Moderatorin Jana Ina Zarrella von früher und stellen dabei, kameragerecht drapiert, ein Produkt vor. Mir spricht bei Ravensburger von Schuhen, Plateauabsätzen und einem aufgeräumten Schuhregal, während sie Schuhrohlinge mit bunten Pailletten bestückt. Mit "I love Shoes" will das Unternehmen schon in kleinen Mädchen die Faszination für Schuhe wecken, die sie selbst gestalten. Selbst gemachte Armbänder, bedruckte Handtaschen oder eben Schuhe - Kreativität im Kinderzimmer ist eines der Mottos 2015.

Bei Lego gibt es nun die Bausteine auch digital

Nur wenige Meter weiter testen zwei Mädchen Topmodel-Schminke. Heidi Klums Suche nach Deutschlands schönstem Mädchen soll, wenn es nach dem Hersteller Simba-Dickie geht, für die Kleinsten zum Thema werden. Die Firma, die auch den Bobby-Car herstellt, sicherte sich die Lizenz und vertreibt nun pinkglitzernde Schminkprodukte samt Puppenkopf zum Frisieren. Das gab es zwar früher schon, damals stand aber nicht "Germanys next Topmodel" drauf.

Das größte Spektakel in pink veranstaltet der Barbie-Hersteller Mattel. Die Super-Prinzessin soll Mädchen inspirieren, sagt die Moderatorin Zarrella in, klar, pinkem Kleid. Garniert wird die Präsentation mit dem Dingsda-Effekt: Kleine Mädchen in Tütüs und Glitzer-Capes erzählen drollig in die Kamera, was ihre Superhelden können - wobei Barbies Emanzipation noch wirken muss, der Held ist für alle ein "Er". Das dürfte auch die im Barbie-Kostüm durch die Luft schwebende Hostess nicht ändern. Zum Film "Die Super-Prinzessin" gibt es Accessoires und Kostüme. Das scheint unter Spielzeugherstellern derzeit üblich zu sein. Auch "My little Pony" von Hasbro, Lego oder Playmobil zeigen animierte Serien oder Filme.

Überhaupt nimmt die Digitalisierung des Kinderzimmers weiter zu. Den Trend versuchen auch Hersteller von analogem Spielzeug zu nutzen: Lego stellt auf der Messe einen Baustein vor, der Digitales mit Haptischem verbindet. Kinder steuern auf dem Tablet mit dem digitalisierten Baustein durch animierte Welten. Die dänische Firma hat mit 17,3 Prozent den größten Anteil am deutschen Markt, das ist doppelt so viel wie der zweitplatzierte Mattel. Auch Lego-Deutschland-Geschäftsführer Michael Kehlet war 2014 erst skeptisch, das Weihnachtsgeschäft brachte dann kräftige Zuwächse, unter anderem durch Lizenzprodukte, die immer wichtiger werden. Bei Lego sind das Figuren zum "Star Wars"-Film, der im Dezember 2015 in die Kinos kommt.

Die spielerische Förderung der Kinder ist der dritte Trend 2015. Bauklötze etwa von "Learning Resources" aus Großbritannien sollen schon im Vorschulalter logisches und räumliches Denken fördern. Für größere Tüftler liefert Fischertechnik aus dem Schwarzwald seit 50 Jahren Baukästen, um Kindern Maschinenbau und Roboter näher zu bringen. Die steigende Nachfrage erklärt Geschäftsführer Marcus Keller mit dem stärkeren Bewusstsein bei Lehrern und Eltern für herausforderndes Spielzeug. Auf das Geschlecht nehmen die Entwickler keine Rücksicht. "Wir haben Mädchen gefragt, die wollen richtige Technik haben. Alles andere wäre ein falscher Ansatz."

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Quelle:
SZ vom 28.01.2015
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