Süddeutsche Zeitung

SPD-Medienholding:Fragwürdige Geschäfte

Lesezeit: 4 min

Ein Durchsuchungsbeschluss und interne Dokumente zeigen, wie bei der Tochter "Öko-Test" 1,2 Millionen Euro in Asien verloren gingen. Jetzt ermitteln die Staatsanwälte.

Von Christoph Giesen und Klaus Ott, München

Die SPD hat eigentlich schon genug Probleme. Der einst so stolzen Partei laufen die Wähler davon, eine Wahlniederlage folgt der nächsten. Als ob das nicht schlimm genug wäre, rückten diese Woche auch noch Staatsanwälte und Kriminalbeamte bei der SPD-Medienholding DDVG und deren Tochter Öko-Test an. Der Grund für die Razzia: Heutige und frühere Verantwortliche der Holding und des Umweltmagazins sollen bei schief gelaufenen Geschäften in China einen Millionenbetrag veruntreut haben. Bevor die Frankfurter Staatsanwaltschaft mit einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichtes loszog, hatten die Ermittler unter anderem die jüngsten Rechenschaftsberichte der SPD studiert und waren fündig geworden.

Die Strafverfolger stießen auf zwei erschreckende Zahlen. Im Jahr 2016 hatte die Firma Cavete in Peking, an der die Partei über ihre Medienholding indirekt beteiligt war, mehr als 4,3 Millionen Euro Verlust gemacht. Im Jahr darauf betrug das Minus mehr als 3,6 Millionen Euro. Macht zusammen fast acht Millionen Euro binnen zwei Jahren. Cavete war der Versuch gewesen, mit dem in Deutschland bekannten Verbrauchermagazin Öko-Test nach China zu expandieren. Die Volksrepublik sei ein idealer Markt für ein unabhängiges Verbrauchermagazin, mit Millionen an potenziellen Lesern, lautete die Idee. Aber es endete in einem Desaster.

Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichtes Frankfurt, diverse Mails zwischen DDVG und Öko-Test und weitere Unterlagen zeigen, wie fragwürdig sowohl in der Medienholding wie auch bei dem Umweltmagazin und bei Cavete gewirtschaftet worden war. Und wie überfordert die SPD derzeit auch bei ihrer Medienholding wirkt. Schatzmeister Dietmar Nietan hat im vergangenen Jahr offenbar die Chance verstreichen lassen, selbst für Aufklärung zu sorgen. Jetzt sind die Ermittler am Zuge.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt stört sich an zwei im Spätherbst 2017 beschlossenen und schließlich auch gewährten Finanzspritzen der DDVG-Tochter Öko-Test für die DDVG-Expansion nach Asien in Höhe von jeweils 600 000 Euro, insgesamt also 1,2 Millionen Euro. Dieses Geld (und noch viel mehr) ist nun weg. Jetzt wollen die Strafverfolger wissen: Wurde innerhalb der SPD-Medienholding und bei Öko-Test auf kriminelle Art und Weise ein Millionenbetrag hin- und hergeschoben, um Löcher in Asien zu stopfen, als es nichts mehr zu stopfen gab? Als die Not groß war, bei dem Umweltmagazin wie auch in Asien.

Bevor das Geld von dem in Frankfurt ansässigen Umweltmagazin nach Asien abfloss, hatte es aufschlussreiche Korrespondenzen gegeben, für die sich heute die Ermittler interessieren. Am 17. Oktober 2017 hatte der langjährige Öko-Test-Chef Jürgen Stellpflug der Muttergesellschaft, der SPD-Medienholding DDVG, geschrieben, er müsse in ein paar Tagen die Gehälter bezahlen. Das Geld dafür habe er nicht. Das Umweltmagazin brauchte also selbst eine Finanzspritze und konnte es sich kaum leisten, anderen zu helfen, so die Annahme der Staatsanwaltschaft. Sie findet auch spannend, dass Stellpflug bereits einen Monat vorher, am 17. September 2017, Zweifel an einem Engagement von Öko-Test in Asien geäußert hatte.

In einer Mail, die damals an die DDVG gegangen sein soll, notierte Stellpflug: Wenn das Engagement in Asien den Bach herunter gehe, habe er mit Sicherheit eine Prüfung am Hals. Dann werde er gefragt, ob er noch alle Tassen im Schrank habe. Von den möglicherweise "strafrechtlichen Konsequenzen" mal ganz abgesehen. Wie wahr: Heute hat der beim Umweltmagazin inzwischen gefeuerte Stellpflug eine Prüfung am Hals. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn und sechs weitere Beschuldigte wegen des Untreue-Verdachts. Es geht um die 1,2 Millionen Euro, die Öko-Test verloren hat. Zu den übrigen Beschuldigten zählt DDVG-Chef Jens Berendsen, damals Partner von Stellpflug. Heute sind die beiden Gegenspieler, und das ist milde ausgedrückt. Sie schieben sich die Schuld an dem Desaster gegenseitig zu.

Stellpflug war Mr. Öko-Test, Berendsen ist Mr. DDVG. Er führt seit 1994 die Geschäfte der SPD-Medienholding, der Sozialdemokrat mit Erfahrung im Verlagswesen hatte damals die Parteizeitung Vorwärts gerettet. Muss er jetzt sich selbst retten? Berendsen hatte viele Jobs, als die Geschäfte bei Öko-Test wie auch in Asien schlecht liefen und es zu den umstrittenen Finanzspritzen kam. Der Chef der Medienholding war zugleich Aufsichtsratschef der Öko-Test Holding AG. Und er war auch noch Direktor von Cavete. Genauer gesagt, Direktor der von der DDVG in Hongkong gegründeten Cavete Global Limited. Die wiederum war Mehrheitseigner der Cavete Consulting Limited in Peking, die den chinesischen Markt erobern sollte.

Die horrenden, in den SPD-Rechenschaftsberichten aufgelisteten Verluste beziehen sich auf Cavete Peking. Und der wiederum gewährte die Öko-Test Holding AG ein Darlehen über 600 000 Euro, nachdem der von Berendsen geleitete Aufsichtsrat der Holding dem Anfang November 2017 zugestimmt hatte. Der Aufsichtsrat genehmigte zugleich eine Beteiligung der Öko-Test Holding an Cavete Hongkong in Höhe von ebenfalls 600 000 Euro. Formal geschah das auf Antrag des Vorstands der Öko-Test Holding, also von Stellpflug. Der hatte die Finanzspritzen für Asien allerdings keineswegs alleine auf den Weg gebracht.

Eineinhalb Monate vorher hatte Stellpflug von einem Finanzmanager der SPD-Medienholding per Mail im Detail aufgezeigt bekommen, wie der Einstieg von Öko-Test bei Cavete Hongkong erfolgen solle. Acht Schritte seien zu gehen. Wenig später war der Einstieg perfekt. Die Ermittler vermuten eine unbesicherte Investition in eine Firma, deren wirtschaftliche Existenz bereits ersichtlich bedroht gewesen sei. Das Darlehen für Cavete Peking - es soll laut Durchsuchungsbeschluss gleichfalls unbesichert gewesen sein - kam dann noch dazu. Das hätte alles sorgsam abgewogen werden müssen, sei aber nicht geschehen, rügen die Ermittler.

Die SPD und ihre Medienholding wie auch Berendsen selbst äußern sich nicht dazu, wegen der laufenden Ermittlungen. Berendsen hatte allerdings Anfang des Jahres, als die gescheiterte Expansion nach China schon einmal Schlagzeilen machte, jeglichen Vorwurf zurückgewiesen. Stellpflug sagt, er fühle sich von der SPD-Medienholding getäuscht. Jetzt komme "endlich die strafrechtliche Aufarbeitung" dieser Geschäfte in Gang. Stellpflug war im Frühjahr 2018 bei Öko-Test gefeuert worden (und wehrt sich bei Gericht dagegen). Anschließend hatte er SPD-Schatzmeister Nietan per Brief angeboten, diesem die "wahren Umstände über aus dem Ruder gelaufene Geschäfte" der Parteiholding DDVG offenzulegen. Nietan antwortete Stellpflug, er habe dessen Schreiben samt Anlagen "zuständigkeitshalber" an die Geschäftsführung der DDVG weitergeleitet.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4531759
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.07.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.