Süddeutsche Zeitung

Sixt:Aktie mit Unterhaltungswert

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Anleger bekommen bei Sixt mitunter nicht nur eine finanzielle Rendite.

Von Dieter Sürig

Wenn der Pullacher Autovermieter Erich Sixt, 75, mal wieder zur Telefonkonferenz lädt, dann hat sich bei solchen Gelegenheiten fast ein Ritual eingespielt: Die Zahlen, die er präsentiert, sind "seit Jahren ziemlich langweilig, weil es nur gute Nachrichten gibt", kokettiert Sixt gerne. Er führt dann aus, welche Mietstationen er diesmal exklusiv an welchem Weltflughafen ergattern konnte und schimpft schließlich über die seiner Meinung nach wirklichkeitsfremden Bürokraten, wahlweise in Berlin, Brüssel oder auch anderswo, die ihm das Leben als Autovermieter so schwer machten.

Und wenn die Hauptversammlung naht, dann erinnert Erich Sixt auch noch daran, dass er ja eine Doppelrolle einnehme: als Vorstandschef und Hauptaktionär. Immerhin hält er 58,29 Prozent der Stammaktien und ist damit sein größter Aktionär - gefolgt von der Deutschen Bank mit 4,95 Prozent. Bei der Dividende denkt Erich Sixt somit ebenso an das Wohl der Firma wie auch an seine eigene Brieftasche. "Da ist doch die Ausschüttungsquote von 24 Prozent des Gewinns in Ordnung", sagte er im Juni bei der Hauptversammlung, als ein Aktionär kritisch nachfragte, ob die Dividende denn nicht etwas höher sein könnte. Solches Nachtarocken kommt auf Sixt-Hauptversammlungen nicht so häufig vor. Im Gegenteil: Das Aktionärstreffen von 2017 kann in der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte getrost als legendär eingestuft werden, die Investoren stimmten dort die Melodie von Beethovens "Freude, schöner Götterfunken" an und sangen die "Ode an die Freude über die Dividende". Die Textzeilen hatte das Familienunternehmen am Eingang unters Volk gebracht - und als Zeitungsanzeige.

Überhaupt, die Anzeigen. Erich Sixt lässt keine Gelegenheit aus, sich diebisch über gelungene Anzeigenmotive zu freuen, die er mit seiner Werbeagentur entwickelt hat: Ob Angela Merkels Sturmfrisur oder Peer Steinbrücks Stinkefinger. Einen Politiker hat er aber bisher ausgelassen: US-Präsident Donald Trump hätte sicher schon so manche Steilvorlage für eine provokante Werbung hergegeben. "Aber wir trauen uns nicht", sagt Sixt. "Wenn Trump dann einen Tweet absetzt, ist Sixt erledigt."

Das wäre fatal, zumal sich der 75-Jährige anschickt, den Markt in Amerika zum wichtigsten Umsatzbringer zu machen. Dort ist der europäische Marktführer Sixt auf Platz vier hinter Hertz, Avis und Enterprise. Und es gibt noch viel Potenzial: Der Markt hat ein Volumen von 30 Milliarden Dollar, Sixt macht dort etwa 450 Millionen Dollar Umsatz, in Deutschland noch fast das Vierfache. Die Pullacher erweitern ihr Stationsnetz in den USA seit 2003 sukzessive, in diesem Jahr sind zehn weitere Standorte geplant. "Wir könnten 100 Stationen aufbauen, finden dafür aber so schnell keine 100 Menschen, die unseren Ansprüchen genügen", sagte Sixt unlängst zum amerikanischen Markt. Der Bedarf sei da: Die neue Station in Maui auf Hawaii sei "sofort profitabel" gewesen. Der Erfolg auf der Pazifikinsel nahe der Datumsgrenze hat ihn zu einem neuen Spruch animiert: "Im Sixt-Imperium geht die Sonne nicht unter".

Für die Expansion soll auch die neue App One sorgen, in der Sixt seit Ende Februar die Angebote Rent, Share und Ride (Taxivermittlung) zusammenfasst. Sixt betreibt derzeit 2200 Stationen in 105 Ländern und hat eine Flotte von etwa 240 000 Fahrzeugen. Mit der App bietet das Unternehmen Sharingdienste in Berlin, Hamburg und München - weitere Städte sollen auch in den USA folgen, sowie eine Taxivermittlung in weltweit 250 Metropolen.

Autoteilen hatte Sixt schon mit BMW über die Tochter Drivenow angeboten. Da absehbar war, dass BMW in der Hinsicht mit Daimler paktieren wollte, verkaufte Sixt 2018 seine Anteile an Drivenow und machte sein eigenes Ding. Hinter der Sixtschen Sharingphilosophie steht auch der Gedanke, dass ein Privatauto für viele Menschen uninteressanter wird. "Es macht Sinn, nur für die Nutzung eines Fahrzeugs zu bezahlen", sagt Sixt. Das ist umso bemerkenswerter, weil der 75-Jährige aus einer Generation stammt, die das Auto nicht nur als Fortbewegungsmittel betrachtet hat, sondern auch als Statussymbol. "Der Deutsche hat ein nahezu neurotisches Verhältnis zum Auto", analysierte Sixt mal.

Dieser Wert geht auch angesichts der Klimadebatte zunehmend verloren. Manche nutzen ihr Auto nur einmal im Jahr für eine größere Reise, ansonsten steht es meist in der Garage und kostet Steuern, Versicherung, Reparaturen, Stellplatz. Überspitzt gesagt ist das so, als würde man sich eine Bahncard 100 kaufen, um einmal im Jahr mit dem ICE ans andere Ende der Republik zu fahren. Genau diese Unlogik macht sich Sixt zunutze, er antizipiert das Umdenken in der Gesellschaft - für ihn müssten also noch goldenere Zeiten anbrechen. Er will Carsharing mittelfristig an allen 2200 Standorten weltweit anbieten, allein in Deutschland an 500 Orten.

Erich Sixt hat gemeinsam mit seiner Frau Regine aus der kleinen Autovermietfirma, die der Onkel seines Vater Hans Sixt 1912 mit drei Fahrzeugen gegründet hat, seit den Siebzigerjahren einen weltumspannenden Konzern geschaffen: Mit 2,9 Milliarden Euro Jahresumsatz und zuletzt 337 Millionen Euro Gewinn vor Steuern (ohne Drivenow-Verkauf). 2015 sind zwar seine Söhne Konstantin und Alexander in den Vorstand gerückt. Doch Sixt, der Beruf und Privatleben nach eigenen Aussagen nicht trennen kann, will auch mit 75 Jahren noch munter mitmischen. Darauf angesprochen, hatte er bei der Hauptversammlung einen Satz parat, der darauf hindeutet, was er von einem Ruhestand halten würde: "Mir macht jeder Tag extrem viel Spaß". Im SZ-Interview hatte er mal gesagt, dass sein Unternehmen für ihn sowieso keine Arbeit bedeute: "Ich bin sieben Tage im Einsatz". Für Erich Sixt ist das Unternehmertum "eine Daseinsform", wie er sagte. "Ich gehe nicht einer Arbeit nach, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen."

So schlagfertig Sixt mitunter kontert, so experimentierfreudig ist er

Vielleicht ist das sein Erfolgsgeheimnis, gewürzt mit Hemdsärmeligkeit, Humor und verschmitztem Pragmatismus wie diesem: "Wenn das autonome Fahren kommt, dann vermieten wir eben selbstfahrende Autos", sagt er mal so eben. Ähnlich spricht er beim Thema Elektroauto, das seiner Meinung nach noch nicht massentauglich ist. Letztlich mache er aber das, was der Kunde wünsche. Und wenn es irgendwann das E-Auto ist, dann besteht kein Zweifel, dass Sixt seine Flotte rasch umbauen wird. So schlagfertig Sixt mitunter kontert, so experimentierfreudig ist er: Seit Ende Juni hat er sogar E-Scooter im Programm.

Manchmal kokettiert Erich Sixt damit, dass jeder Aktionär mit Sixt reich werden kann. Dabei muss man gar nicht schon 1986 dabei gewesen sein, als das Unternehmen an die Börse ging. Seit dem Tiefpunkt des Dax nach der Finanzkrise im März 2009, hat die Stammaktie, die im S-Dax notiert ist, um 1750 Prozent zugelegt. Der Wert pro Papier stieg von 4,20 auf mehr als 79 Euro. Das Unternehmen ist an der Börse inklusive Vorzugsaktien 3,3 Milliarden Euro wert, Anfang März 2009 waren es noch 202,5 Millionen Euro. Der langfristige Investor kann für sein Geld also reichlich Rendite bekommen - und dazu einen gewissen Unterhaltungswert. Auch wenn die Aktie in den vergangenen zwölf Monaten 25 Prozent verloren hat.

Kleinere Unternehmen werden am Aktienmarkt oft weniger beachtet. Die SZ stellt die stillen Stars der Börse in einer Serie vor. Als nächstes: Washtec.

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Quelle:
SZ vom 17.08.2019
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