Süddeutsche Zeitung

Silicon Valley:Aus dem Scheitern lernen

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Der Kölner Pascal Finette unterstützt Start-ups im Silicon Valley. Mit seiner eigenen Unternehmensgründung war er einst pleite gegangen.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Kurz nach der Dotcom-Krise hatte Pascal Finette in Deutschland sein Start-up für digitale Grußkarten gegen die Wand gefahren. "Das ist ja furchtbar, Du warst bankrott. Wie bist Du damit klargekommen?", bekam er in seinem Heimatland zu hören. Als der gebürtige Kölner aber in den USA seine Geschichte erzählte, erntete er ein trockenes "Cool, was hast Du dabei gelernt?" Es war mehr, als ihm seine Heimat-Universität in Köln beibringen konnte. Der Technologie-Branche ist Finette treu geblieben, sein Weg hat ihn vor sieben Jahren ins Silicon Valley geführt. Dabei urteilt der 42-Jährige inzwischen über sich, "kein guter Gründer" zu sein, weil ihm die Geduld fehle.

Seine Mission lautet stattdessen: Das Wissen weiter vermitteln, jungen Gründern der nächsten Generation die Werkzeuge und Kontakte an die Hand geben, um erfolgreich zu sein. Nach Stationen bei Mozilla und Google.org, der Wohltätigkeitssparte des Internet-Konzerns, ist er nun bei der Singularity University gelandet, wo er den "SU Labs Startup Accelerator" leitet.

Accelerator, jene Startrampen-Programme für Start-ups, gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Doch die Singularity University ist nicht irgendeine Bretterbude in San Francisco, in den Büros auf dem Nasa-Gelände am Rand von Mountain View geht es nicht um das schnelle Hochzüchten der nächsten App-Idee. Der Hybrid aus Ideenschmiede und Firmen-Brutkasten sucht die Lösungen der ganz großen Probleme, und das mit einer Mischung aus Optimismus und Heilsversprechen. Ob Hunger, Klimawandel oder menschliche Sterblichkeit - alles sei mit Hilfe von Technologie lösbar, predigen die beiden Gründer, der Google-Chefingenieur Ray Kurzweil und der Raketentechniker Peter Diamandis.

Die Singularity University vermittelt ihre Philosophie nicht nur Konzern-Abgesandten und Studenten oder schreibt Preise aus, sondern unterstützt auch gezielt Jungfirmen, die ihre Idee auf den Markt bringen wollen. Und die, wie im Falle von Finettes Anschubprogramm, daheim noch auf Skepsis stoßen. "Keines unserer Start-ups stammt aus dem Silicon Valley. Sie haben diesen positiven Rückhalt zu Hause nicht. Darum genießen sie die Freiheit, die sie hier haben", erzählt er. Eine Erfahrung, von denen ihm auch deutsche Gründer immer wieder berichten.

Die Ideen klingen ambitioniert: Das Team von Eat Limmo aus Mexiko will Essensreste in neue Zutaten verwandeln, die Gründer von Hyper-Cube die Luftverschmutzung an jedem Ort des Planeten mit Hilfe von Mikro-Satelliten und Sensoren messen. Die Dänen des Start-ups Be my eyes lassen Sehende Blinde im Alltag per Smartphone unterstützen. "Am Ende geht es darum, wie groß die Auswirkung einer Idee sein kann", beschreibt Finette die Auswahlkriterien.

Er selbst bezeichnet sich als "optimistischen Deutschen", der - eher undeutsch - keinen grundsätzlichen Widerspruch zwischen gutem Zweck und gutem Geschäft sieht. Das Drohnen-Start-up Matternet, im Graduierten-Programm von Singularity entwickelt, teste in der Schweiz gerade Paket-Auslieferungen für Post-Kunden, während es in Haiti Medikamente in abgelegene Gegenden transportiere. "Profit und Sendung können natürlich nebeneinander existieren", folgert Finette. Wenn es hart auf hart komme, müsse man sich allerdings für eine Seite entscheiden.

Dass sich sein Heimatland noch nicht einmal konsequent für die Digitalisierung entschieden hat, bereitet ihm Sorgen. "Der Mittelstand macht mich ganz verrückt", erzählt Finette. Dieser unternehme nichts dagegen, im Zuge des technologischen Fortschritts von einem Aufsteiger-Unternehmen aus dem Nichts einfach vom Markt katapultiert zu werden. Andererseits entwickele sich in Deutschland gerade eine Generation von Uni-Absolventen und Start-up-Gründern, "der klar ist, dass ihr die Welt zu Füßen liegt". Und die auch bereit dazu ist, im Scheitern etwas zu lernen.

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Quelle:
SZ vom 08.10.2015
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