Süddeutsche Zeitung

Selbständige:Renditen der Versorgungswerke sinken

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Ob Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker, Steuerberater oder Architekten - knapp eine Million Freiberufler zahlen in ihre eigene Vorsorge ein. Eine Studie zeigt, wie die niedrigen Zinsen der Rentensicherung Probleme bereiten.

Von Thomas Öchsner, Berlin

In Deutschland sind mehr als vier Millionen Menschen selbständig. Bei der Altersvorsorge zerfallen diese in zwei Gruppen: Die große Mehrheit, gut drei Millionen, muss selbst schauen, wie sie für den Ruhestand vorsorgt. Bei ihnen sieht Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) eine "Schutzlücke". Wenn es nach ihr geht, sollen diese drei Millionen deshalb in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Diejenigen, die mit dem Berufsstart automatisch in einem berufsständischen Versorgungswerk abgesichert sind, sind davon ausgenommen: Ob Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker, Steuerberater oder Architekten - knapp eine Million Freiberufler sind verpflichtet, in ihre eigenen Versorgungseinrichtungen einzuzahlen. Doch was taugen die überhaupt?

Eine neue Studie zeigt nun: Auch bei den Versorgungswerken geht es mit den Renditen wegen der niedrigen Zinsen bergab. Die Renten liegen aber im Durchschnitt um 25 bis 50 Prozent über dem Altersgeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Etwa 175 Milliarden Euro sind in den 89 Versorgungswerken für Freiberufler in festverzinslichen Wertpapieren, Aktien, Fonds oder Immobilien angelegt. Viele dieser Einrichtungen verhalten sich jedoch wie professionelle Geheimniskrämer. "Bei 52 von 89 Versorgungswerken fehlen sämtliche Angaben zur Vermögens- und Ertragslage. Oft werden nicht einmal die Mitgliederzahlen genannt. Von Transparenz kann angesichts des Fehlens von Zahlen, Daten und Fakten keine Rede sein", heißt es in der Untersuchung des Finanzmathematikers Werner Siepe für die Berliner Versicherungsberater-Gesellschaft Vers.

Trotzdem bringt der Experte in seiner Studie etwas Licht ins Dunkel: Das zeigt schon ein Blick auf die größten zehn Einrichtungen, darunter die fünf Versorgungswerke für Ärzte in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.

Hier fallen vor allem die großen Unterschiede bei den Renditen auf: So erzielte die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte im Jahr 2014 mit 4,32 Prozent die höchste Nettorendite unter den größten Zehn. Die Ärzteversorgung in Niedersachsen kam hingegen nur auf eine Bruttorendite von 1,78 Prozent. Bei dem bundesweit größten Versorgungswerk, der Bayerischen Ärzteversorgung mit mehr als 90 000 Mitgliedern, schätzt Siepe die Rendite auf knapp vier Prozent. Ausgerechnet der Branchenriese aus Bayern "veröffentlicht jährliche Geschäftsberichte nicht im Internet, sondern händigt sie nur bayerischen Ärzten auf deren schriftliches Verlangen hin aus", kritisiert der Experte.

Grundsätzlich gilt für alle Versorgungswerke: Die Renditen "sind auf Talfahrt und fallen immer häufiger unter die Marke von vier Prozent", schreibt Siepe. Denn trotz der niedrigen Zinsen stecken im Durchschnitt noch fast zwei Drittel des Kapitals in Zinsanlagen. 21 Prozent haben die Einrichtungen in Aktien und Beteiligungen angelegt, zwölf Prozent in Immobilien. Der Rest fließt in Rohstoffe, erneuerbare Energien oder Infrastrukturanlagen.

Die Versorgungswerke kalkulieren daher zunehmend mit einem deutlich niedrigeren Rechnungszins: Bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberatungsversorgung liegt er bei 2,5 Prozent, bei der Bayerischen Architektenversorgung sogar nur noch bei 2,25 Prozent. Wegen der niedrigen Zinsen haben einige Versorgungswerke auch ihre Beiträge erhöht, um die Mitglieder, wie es etwa bei der Bayerischen Ärzteversorgung heißt, "vor zu geringen Nettoruhegehältern zu bewahren".

Diese sind zuletzt kaum gestiegen, in den vergangenen acht Jahren im Durchschnitt um gerade einmal acht Prozent. Die durchschnittliche Rente für einen Freiberufler lag im Jahr 2014 aber noch bei 2060 Euro im Monat - ein Wert, den in der gesetzlichen Rentenversicherung nur Gutverdiener schaffen, die sich vier Jahrzehnte lang mit ihrem Verdienst um die Beitragsbemessungsgrenze bewegten. Sie liegt derzeit in Westdeutschland bei 6200 Euro im Monat.

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Quelle:
SZ vom 08.11.2016
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