Süddeutsche Zeitung

Schweizer Franken:Überforderte Notenbanker

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Ein Kommentar von Claus Hulverscheidt

Wer die Ferien in der Schweiz verbringt, der entdeckt dort, wenn er will, herrliche Dinge: majestätisch aufragende Dreitausender, dramatisch geschwungene Täler, fast kitschig schöne Dörfer und Hütten. Manches allerdings sucht man in den Urlaubsregionen auch vergeblich: Schweizer, zum Beispiel. Die Eidgenossen selber fahren nach Österreich, Frankreich oder Italien. Auch dort ist es schön - für Franken-Besitzer aber vor allem viel billiger.

Urlaub im Euro-Krisengebiet - dieser Trend wird sich noch verstärken. Die Taschen der Schweizer Touristen sind voller denn je, seit die Nationalbank (SNB) den Kurs der Landeswährung nicht mehr künstlich bei 1,20 Franken je Euro hält. Stattdessen beträgt das Verhältnis jetzt eins zu eins, der Franken kostet fast doppelt so viel wie vor gut 20 Jahren.

Für die eidgenössischen Betriebe ist das eine herbe Belastung. Ihre Produkte, ihre Chalets und Dienstleistungen werden für Ausländer immer teurer, dabei ist schon heute manches Skigebiet im Land gespenstisch leer. Dennoch ruhten sich viele Firmen und Ferienhausvermieter in den letzten Jahren darauf aus, dass die SNB einen weiteren Anstieg des Franken auf ewig verhindern werde - mit fatalem Ergebnis: Heute haben Länder, in denen der Anpassungsdruck größer war, nicht nur große Kostenvorteile, auch die Service-Qualität ist oft deutlich besser.

Ein Ende mit Schrecken

Natürlich kannten die Notenbanker die Probleme, als sie ihren Beschluss fällten, und natürlich hat dieser auch Vorteile. So erhält die Bank mit dem Verzicht auf die Euro-Anbindung ihre geldpolitische Unabhängigkeit zurück. Auch ist sie bei einer weiteren Lockerung der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank (EZB) nicht länger genötigt, zur Verteidigung des Franken immer mehr Euro zu kaufen. Doch auch wenn ein Ende mit Schrecken besser sein mag als ein Schrecken ohne Ende: Für die Schweizer Betriebe bleibt es ein Ende mit Schrecken.

Verteidiger der SNB verweisen gerne darauf, dass es der Notenbank gelungen ist, den Druck auf die Schweizer Wirtschaft zumindest zeitweise zu mildern. Auch sei der Aufwertungsdruck, der seit Jahren auf dem Franken lastet, weniger hausgemacht als das Spiegelbild der wirtschaftlichen Probleme in der Euro-Zone. Beides ist nicht falsch - und ignoriert doch, dass es der SNB von Beginn an einer überzeugenden Exit-Strategie mangelte. Mit ihrer chaotischen Kehrtwende am Donnerstag haben das die Notenbanker eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Die Schockwellen, die seither um den Globus rollen und die die Schweizer Wirtschaft noch gar nicht richtig erfasst haben, belegen zweierlei. Erstens: Wechselkursmanipulationen können strukturelle Probleme nie beseitigen, sondern nur verdecken - egal ob es solche Probleme nur in einem der betroffenen Währungsräume gibt oder in beiden. Im Fall von Euro und Franken sind es beide. Und zweitens: Eine Notenbank, die statt Geldpolitik Wirtschaftspolitik betreibt, begibt sich auf vermintes Gelände. Entsprechend schwer ist es, dieses Gelände ohne größere Blessuren wieder zu verlassen.

Daran sollten auch die Mitglieder des EZB-Rats denken, wenn sie am Donnerstag in Frankfurt zusammenkommen, um über ein mehrere hundert Milliarden Euro schweres Programm zum Aufkauf europäischer Staatsanleihen zu beraten. Mit dem Paket soll die Konjunktur in der Euro-Zone angekurbelt werden - ein so eindeutig wirtschaftspolitisches Vorhaben, wie es eindeutiger kaum vorstellbar ist. Die Gefilde, in die sich die EZB damit aufmachte, wimmeln nur so vor Gefahren. Gemessen daran war das Gelände, von dem sich die Schweizer Nationalbank jetzt mit einigen Beulen und Dellen zurückgezogen hat, ein Kinderspielplatz.

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SZ vom 17.01.2015
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